History

Zwei Perspektiven auf Agnes

Von
Dorothe Zürcher und Bruno Meier

Agnes von Ungarn (1280–1364) war eine einflussreiche Frau in der Geschichte der Schweiz: Sie vertrat die Habsburger-Dynastie westlich des Arlbergs und stiftete zusammen mit ihrer Mutter das Kloster Königsfelden. Gleich zwei aktuelle Biografien spüren ihrem Leben nach. Die Autor*innen Dorothe Zürcher und Bruno Meier geben Einblick in ihr Schaffen.

Ich wuchs im Reusstal auf und hörte als Jugendliche schon von Agnes von Ungarn. Als die Quellen des Klosters Königsfelden digitalisiert wurden und über Agnes’ Leben in der Presse geschrieben wurde, kam mir die Idee für das Buch. Für mich war Agnes eine mächtige und reiche Königin gewesen. Da erfuhr ich, dass sie schon in ihrer Jugend ein sehr vielseitiges, wenn nicht abenteuerliches Leben hatte. Das reizte mich.

Zuerst las ich, was Bruno Meier schon über Agnes von Ungarn publiziert hatte – kein Witz! Dann arbeitete ich mich durch die Bibliografie und durch die Urkunden. Da wir keine schriftlichen Zeugnisse von Agnes selbst haben, gibt es viele Lücken. Nun galt es, die Lücken mit fiktivem Inhalt zu füllen, ohne die Grundkonstellation zu ändern.

Obwohl das Mittelalter eine für uns fremde Zeit ist, können wir davon ausgehen, dass die Menschen Grundgefühle wie Angst, Freude, Liebe und Hass ähnlich empfanden. Ihre Vorstellung über gesellschaftliche Werte unterschied sich jedoch sehr stark zu heute. Das galt es für mich als Autorin herauszuarbeiten.

Überraschend war für mich, zu entdecken, wie nahe Agnes ihren Brüdern stand. Oder, dass sie Johannes, den Mörder ihres Vaters, persönlich gekannt hatte. Agnes muss sicherlich eigensinnig und voller Tatendrang gewesen sein. Sonst hätte sie als Witwe in ein Kloster eintreten können, anstatt sich dem rauen Wind der Politik auszusetzen.

Ich habe ein mögliches Bild der Agnes gezeichnet, es könnte jedoch ganz anders gewesen sein. Beispielsweise ist mir immer noch unklar, warum Meister Eckhard ihr eine Schrift widmete. Kannten sich die beiden? Schrieben sie sich? Ich kontaktierte deswegen zwei Fachleute, die mir jedoch nicht weiterhelfen konnten.

Dorothe Zürcher, Autorin des biografischen Romans «Ein gschwind listig Weib»

Das Umfeld ausgeleuchtet

Im Jahr 2008 habe ich ein Buch über die Habsburger und die Schweiz im Mittelalter geschrieben. Agnes von Ungarn ist für die habsburgische und schweizerische Geschichte des 14. Jahrhunderts von grosser Bedeutung. Das macht sie für mich zu einer interessanten Figur.

Seit etwa 15 Jahren gibt es die Plattform Königsfelden online. Der ganze Quellenbestand zu Königsfelden ist vorbildlich aufgearbeitet. Dazu sind die Register der habsburgischen Urkunden im Haus-, Hof- und Staatsarchiv in Wien gut zugänglich. Zudem sind viele Chroniken heute online zugänglich. Die Ausgangslage ist also seit einiger Zeit ausgezeichnet.

Bei der Biografie ging es mir nun nicht darum, einfach das Leben der Agnes durchzuerzählen, sondern vor allem das Umfeld auszuleuchten, das für sie wichtig war. Deshalb gibt es neben einem kurzen Abriss ihres Lebens vor allem thematische Zugänge. Als Historiker bleibe ich aber den Quellen verpflichtet und arbeite in diesem Sinn mit wissenschaftlicher Methode, die Fiktion hat dabei keinen Platz, allenfalls die begründete Vermutung.

Es gibt ein paar Grundfragen, die immer offenbleiben müssen, weil Agnes von Ungarn keine Selbstzeugnisse hinterlassen hat. Wieso hat sie als junge Witwe nicht noch einmal geheiratet? Konnte sie das selbst bestimmen? Wieso ist sie nicht in ihr eigenes Kloster Königsfelden eingetreten? Während der Arbeit ist mir immer klarer geworden, dass sie sich ein Leben lang in den Dienst ihrer Familie gestellt hat. Als Familienälteste hat sie dabei eine wichtige Rolle gespielt. Man könnte auch sagen: family first.

Ein Geheimnis bleibt auch ihre Religiosität. Ist das von der Chronistik Behauptete Fassade gewesen, oder echter Ausdruck in ihrem Leben? Und ihre Beziehung zu Männern: eine totale Blackbox.

Bruno Meier, Historiker und Autor von «Agnes von Ungarn – (1280 – 1364)»

ZOFINGEN Museum, Mi, 10. September, 19 Uhr; Lesung Dorothe Zürcher)

BRUGG Stadtbibliothek, Mi, 24. September, 19.30 Uhr; Lesung und Gespräch mit Bruno Meier und Dorothe Zürcher

BADEN Thik, Di, 11. November, 20.15 Uhr; Lesung und Gespräch mit Bruno Meier und Dorothe Zürcher