Leo Stampfli, GEI5T
Die Veranstaltungsreihe «Rap Night» im Flösserplatz Aarau gibt jungen Künstler*innen eine Plattform. Wir wollten wissen, was Rap für die jungen Menschen bedeutet, was sie künstlerisch umtreibt und wie sie Bühne, Arbeit und Gymi – den ganzen Hussle – unter einen Hut bringen.
Zwischen Selbstzweifel, Arroganz, Kleinstadtromantik
«Als musikinteressierter Jugendlicher bin ich früh in Rap-Subgenres eingetaucht. Ich war schnell fasziniert von Subkultur, Politik, Rhythmus, Reim, Referenz und Selbstausdruck. Doch den Zugang zum Schreiben von Rap-Texten fand ich erst durch das Produzieren von eigenen Beats. Ich lernte von verschiedensten Vorbildern wie OK Kid, OG Keemo, Nativ und Peter Fox. Die Gefühle zwischen Selbstzweifel, Arroganz, Kleinstadtromantik und Konflikten versuche ich in Form von Geschichten und Verbildlichungen auszudrücken. Neben meinem Studium in Elektrotechnik bleibt wenig Zeit, um an der Musik zu arbeiten. Trotzdem treibt mich die Freude an Liveauftritten und das Gefühl, wenn ich meinen Freunden einen neuen Text oder Beat zeigen kann, immer wieder ins Studio.»
Leo Stampfli, GEI5T
Florian Siegrist aka Ziggie vo Züri
Aus der Magie der Kreativität
«Musik ist für mich Selbstfindung. Mit 18 habe ich viel gekifft und hatte keine Vision für meine Zukunft. Die Musik hat mir einen Sinn gegeben, der mich motiviert, weiterzumachen, auch wenn das Leben auf diesem scheinbarverlorenen Planeten manchmal sinnlos erscheint.
In meinen Songs geht es um Selbstfindung, Depression, Liebe – sie sind auch eine kritische Auseinandersetzung mit unserer Gesellschaft. Ich schreibe viel von meinen eigenen Erfahrungen und Erlebnissen, von psychischen Problemen, die ich beim Erwachsenwerden hatte. Ich will auch eine gewisse politische Stimme sein und auf Themen aufmerksam machen – solange es mir gelingt, diese gut und musikalisch verdaulich zu verpacken. Meine Songs entstehen spontan, aus der Magie der Kreativität.
Musik ist ein fester Bestandteil meines Lebens und seit zwei Jahren widme ich mich neben meiner 60% Teilzeitstelle als Lagerist bei einem Getränkehändler ca. 40% der Musik. Rap muss nicht mein Hauptberuf werden, auch wenn das ein Traum wäre. Die Arbeit als Künstler umfasst viel mehr als bloss Musikmachen: Vermarktung,Networking, verstehen von Trends und Entwicklungen und Auftrittskompetenz. Um alles wirklich gut im Griff zu haben, braucht man einen flexiblen Brotjob und gute Planung.
An der Rap-Night im Flössi spiele ich erst meinen dritten eigenen Gig. Es sind solche Events, die jungen Künstler*innen wie mir die Chance geben, sich zu präsentieren und Erfahrungen zu sammeln. Ich freue mich schon auf den Frühsommerabend.»
Florian Siegrist (24 Jahre, Zürich) aka Ziggie vo Züri
Jan Stampfli, Tornkid
Erfahrungsraum Rap
«Ob als Angehörige*r einer Minderheit, als Kind im Drogenviertel oder als 3. Person, die auf meine lächerliche Existenz blickt, durch Rap kann ich die Welt als jede dieser Personen erfahren. Die Möglichkeit, die Welt durch andere Brillen zu betrachten, gibt mir unglaublich viel Raum zur Identitätsentwicklung. Gleichzeitigt fordert mich die Musik auch heraus, intensiv über mich, meine Meinung und meine Gefühle nachzudenken, denn ein guter Rap-Text besteht nicht einfach aus plumpen, vorgefertigten Aussagen, sondern aus aneinandergereihten Aphorismen, Bildlandschaften oder Ähnlichem. Es geht darum, Erfahrungen, die die Zuhörer*innen teilen, innovativ auszudrücken. Eine Aufgabe, für die ich mir neben dem Gymnasium, sozialem Engagement und einem breiten Freundeskreis oft zu wenig Zeit nehme. Wenn ich aber Texte von Bands wie «OK Kid» höre, die ich auch beim hundertsten Mal noch neu verstehen kann, motiviert mich diese Faszination sehr. Live-Auftritte lassen mich immer wieder von grossen Hallen Träumen und geben mir Kraft, mich in meinen kleinen Keller zu setzen und zu schreiben.»
Jan Stampfli, Tornkid
Ian Fehlmann, Duo REN
Augenzwinkern.ch
Fliegende Wortspiele
«Rap wurde mir quasi in die Wiege gelegt. Mein Vater ist ebenfalls Rapper. Unter dem Künstlernamen Freeze war er bei verschiedenen Crews wie Skilluminati, Onan, 3sächser oder als Solokünstler unterwegs. Rap als Ausdrucksform bedeutet mir sehr viel. Während meine Texte meist nicht sonderlich emotional sind, macht es mir Spass, die Gedanken und Wortspiele, die mir den ganzen Tag durch den Kopf fliegen, zu Papier zu bringen. Die Emotionalität kommt womöglich später noch. Ich rappe meist über eine ausgeschmückte Version meines eigenen Lebens, über Dinge, die ich tue, Leute die ich kenne, Orte an denen ich bin, stets mit einer Portion Selbstironie. Gesellschaftliche Anliegen haben bisher nicht allzu viel Platz gefunden. Doch Themen wie finanzielle Ungleichheit, die Ausnützung der Durchschnittsbevölkerung und eine klare Positionierung gegen Rechtsextremismus sind mir wichtig. Rappen und Texte schreiben macht mir eine Unmenge Spass, und wird für mich immer die erste Priorität bleiben. Wenn ich damit andere Leute begeistern und ihnen gute Gefühle geben kann, ist das für mich ein riesiger Bonus. Im Moment arbeite ich in Lenzburg im McArthur’s Pub in der Küche. Mein Plan für die Zukunft ist ein Psychologie-Studium, mit dem Ziel, Psychotherapeut zu werden. Ich kann schlecht auf Kommando schreiben. Der Idealfall wäre, ich hätte zwischendurch ein paar Stunden Zeit, um meine spontanen Gedanken zu Papier zu bringen.
Auf einer Bühne zu stehen und zu sehen, wie Leute mitgehen und feiern ist ein unglaubliches Gefühl und ich freue mich jedes Mal wieder enorm darauf.»
Ian Fehlmann (20, Veltheim), Duo REN
Aramis Barbieri, Duo REN
Augenzwinkern.ch
Momentaufnahme der Gedanken
«Auf Rap stiess ich über meinen Onkel, der mich als kleiner Junge zu sich ins Studio einlud, um ein Intro und Outro für sein Album einzusprechen. Seit diesem Moment hatte ich mich immer mehr in dieses Genre veliebt und begann mit meinem Ipad auf Garageband Beats zu produzieren. Am Rap mag ich, dass es keine Grenzen gibt. Jeder Beat ist eine Momentaufnahme meiner Gedanken und vorallem ein Mittel, alles das auszudrücken, wofür es keine Worte gibt. Ich lasse mich gerne durch kurze Phrasen aus klassischen Stücken inspirieren.
Ich arbeite als Assistenzlehrperson und an den Wochenenden Veranstaltungst respektive Lichttechniker im Kiff und Flössi. Den Rest meiner Zeit verbringe ich überwiegend mit Musizieren, ob Beats bauen, Geige spielen oder Komponieren, es gibt nichts, mit dem ich lieber Zeit verbringe.»
Aramis Barbieri, Duo REN
Die Rap Night im Flösserplatz
Die "Rap Night Flössi" wurde von einem Zivildienstleistenden Anfang 2023 ins Leben gerufen. Unter anderem sind bereits Cachita und Jule X und lokale Acts wie Slime Spidey und tambi aufgetreten. Die jetzige, dritte Ausgabe (organisiert von Sarah Kalensky) setzt auf regionale junge Künstler*innen und auf einen niederschwelligen, inklusiven Zugang (niedriger Eintrittspreis). Dass bei der aktuellen Ausgabe nur männliche Künstler auf dem Line-Up stehen, ist gewissermassen strukturell bedingt – es gibt zurzeit nur sehr wenige regionale Rap FINTA*-Künstler*innen. mh
AARAU Flösserplatz, Fr, 3. Mai, 20 Uhr