Auf dem Weg, einem Grosspublikum ein ekstatisches Erlebnis zu verschaffen: DJ Passik aka Pascal Münger.
mb
Unterwegs mit DJ Passik
Pascal Münger, der als DJ Passik produziert und auflegt, mag die Natur. Seine Wohnung in Erlinsbach entdeckt er bei einem Spaziergang. Im dazugehörigen Kellerraum baut er sich in Eigenregie ein Studio auf. Er überdeckt den Teppichboden mit Laminat und investiert in die Technik. Durch ein kleines Fenster dringe immerhin noch ein kleines bisschen Tageslicht ins Studio. «Mein Traum aber wäre ein Studio mit einer Glasfront, von wo aus man beim Abmischen die Natur überblicken kann», sagt er, während er mir in der rhätischen Bahn gegenübersitzt. Es ist halb elf Uhr morgens und im gegenüberliegenden Abteil gewinnen vier Walliserinnen nicht nur an Höhenmetern, sondern auch an Blutalkohol: die zweite Flasche Rotwein ist dekantiert und ihre Destination bereits aus den angeheizten Gesprächen herausgehört: Das Sunice-Festival in St. Moritz. Dorthin bringt mich auch Münger; er tritt an diesem Wochenende auf der Mainstage auf. Das Festival wird von einem jungen Team aus Ortsansässigen veranstaltet und findet mitten im Skigebiet statt – Skiständer und Panorama-Sicht hinter den Bühnen inklusive.
Wir kommen zu Fuss im Hotel an. Wohl vor Scham übers Dirndloutfit des Personals und kitschiger Barolo-Etiketten-Collagenbilder versteckt sich der Lobbyhund «Barri» hinter einer Säule. Münger bezieht das Zimmer, ich bleibe in der Lobby. Dann kommt der Privatfahrer im schwarzen Mercedes vor dem Hotel an, was Münger beinahe nicht mitbekommt, da er sich gerade Barri zuwendet.
Es fällt schwer, Münger mit der Aufmache des Festivals in Einklang zu bringen. Zwar trägt er seinen Daunenmantel stets offen, sodass man den Headliner-Badge um den Hals erkennen kann. Aber der Verdacht, dass es ihm dabei ums Protzen geht, verfliegt schnell. Münger ist ein bescheidener und reflektierter junger Mann, der sich zwar über die Annehmlichkeiten eines solchen Engagements zu freuen scheint, aber der sich vor mir zu keiner Zeit damit brüstet. Auf dem Festivalgelände springt er etwa ohne zu zögern ein, als es darum geht, einen Banner wieder zu montieren, den der hochalpine Wind kurz vor Festivaleröffnung aus der Verankerung gerissen hat. Die Szene ist hektisch, gar etwas angespannt. Die OK-Mitglieder wollen sich allen Anscheins nach vor den Besucher*innen keine Blösse aufgrund eines so banalen Zwischenfalls geben. DJ Passik bleibt ruhig und blickt zwischendurch ins Alpenpanorama.
«Ich liebe den Trubel der Städte. Bin aber froh, wenn ich sie wieder hinter mir lassen kann.»
DJ Passik
Münger hat sich früh fürs Auflegen interessiert. Seinen ersten Auftritt hat er im Halli Galli in Brugg. Da war er fünfzehn Jahre alt, seine Eltern begleiteten ihn. Er macht eine Informatiklehre, musiziert aber weiter. Das Auflegen bringt ihn dazu, selbst Musik zu produzieren. Er bringt sich in Eigenregie alles Nötige bei. 2017 ist er 19 Jahre alt und spielt seinen Song «Calm Down» bei einem Auftritt. Die dienstälteren DJs werden auf den Song aufmerksam. DJ Passiks Songs schaffen es daraufhin in die Sets der tonangebenden internationalen Kollegen – ein Ritterschlag in der Szene. Der Song «Lonely Road» wird auf Spotify über eine Million mal gestreamt. Münger sagt heute, das sei ein Schlüsselmoment seiner Karriere gewesen, bei dem er wohl das daraus resultierende Momentum nicht ausgenützt habe: «Ich brauchte acht Monate, bis ich eine Follow-Up Single hatte.» Er lacht. Dass er fünf Jahre später bei einem Festival wie dem Sunice zu gut besuchter Stunde auf der Mainstage auftritt, zeigt, dass er sich von der verschlafenen Chance zu erholen scheint.
Wer wie Münger eher melodischen House mit Gesang produziert, wird in der Szene dem Genre Electric Dance Music (EDM) zugeteilt, dem gelhaarigen Cousin des Electros, der eher von Menschen gehört wird, die sich der alternativen Szene zuteilen. Unbeschwert benutzt Münger den Begriff «Mainstream», wenn er von seiner Musik spricht. Er sieht den Mainstream deswegen wertfrei, da der Vorwurf gefällige Musik aus rein kommerziellen Beweggründen zu produzieren, bei ihm nicht zu greifen scheint: Es ist seine Leidenschaft, einem Grosspublikum ein Kollektiverlebnis zu ermöglichen. Das bedeute viel Arbeit. Beispielsweise hat Münger Mühe damit, einen Song abzuschliessen: «Man findet immer irgendwo noch eine Möglichkeit den Drive eines Songs zu verstärken.»
Auf dem Gelände des Festivals wird aber auch klar, dass es in der EDMund Electroszene nicht allein das Musikalische ist, was einem zu Gigs verhilft. Die Mitglieder des Organisationskomitees wurden zu seinen Freunden über die Jahre. Obwohl sie sich mit ihrem Gestus und ihrer mit Anglizismen gespickten Sprache nicht stärker von Münger unterscheiden könnten, verstehen sie sich ausserordentlich gut. Dass es aber allein aufs Netzwerk ankommt, ist zu einfach. «Es braucht beides», sagt Münger.
Nebst den grossen Auftritten lässt er es lieber ruhig angehen. Er arbeitet in einem kleinen Pensum als Informatiker. Das generiert ihm ein Grundeinkommen. Wenn er auf mehr Einkommen angewiesen ist, dann produziert er Musik für Werbespots. Auch da scheint er den richtigen Mix zwischen Netzwerken und Abliefern gefunden zu haben. Er konnte die PR-Agentur eines grossen Schweizer Telekommunikationsanbieter für sich gewinnen, wo die Entlöhnungen stimmen. Nach Zürich oder in eine grössere Stadt zu ziehen, kommt für ihn nicht in Frage: «Ich liebe den Trubel der Städte, bin aber froh, wenn ich sie dann wieder hinter mir lassen kann.»
Auf der Bergstation in St. Moritz zieht kurzfristig ein Schneesturm auf. Das Banner trotzt dieses Mal dem Wind. Ich rufe den Fahrer an und werde kurz darauf abgeholt. Münger steht zu diesem Zeitpunkt noch Arbeit bevor: Am Samstag findet eine «Zeremonie» statt, zu der er den Soundtrack produziert hat, später folgt der eigentliche Auftritt zwischen Laser, Konfettiund CO2-Sprühkanonen. Am Sonntag wird er sich von Barri und den Alpenklischees verabschieden und dann in zweiter Klasse zurück nach Erlinsbach reisen, wo er sich am wohlsten fühlt.
Pascal Münger (25), aka DJ Passik lebt in Erlinsbach AG. Die Songs des gelernten Informatikers erreichen auf Spotify schonmal eine Million Klicks.