Unterwegs

Tatort Suhrental

Von
Barbara Scherer

«Jeden Tag, aber nie lange»: Ina Hallers Arbeitsformel zum Schreiben eines Krimis.

Unterwegs mit Ina Haller

Es herrscht reger Verkehr auf der Bahnhofstrasse in Suhr. Ina Haller geht zielstrebig weiter und biegt in eine Seitenstrasse ein: «Früher fuhren hier Trams entlang», sagt sie und blickt noch einmal auf die befahrene Strasse zurück. Die Krimiautorin kennt das Dorf in- und auswendig. Seit über 20 Jahren lebt sie hier zusammen mit ihrem Mann und den drei Töchtern. Die meisten Handlungen ihrer Bücher spielen sich in der Region ab. Sie müsse die Orte kennen, wissen, wie sie riechen und sich anhören – «nur dann kann ich die Stimmung in meinen Büchern richtig erfassen.» Heute geht es aber nicht zu einem möglichen Tatort für einen ihrer Krimis, sondern an der Kirche vorbei bergauf in den Wald auf dem Suhrerchopf. Ein Rückzugsort für die 52-Jährige – in der Natur kann sie runterfahren und Energie tanken.

Schreiben als Ausgleich

Mit dem Schreiben hat Ina Haller 2007 im Rahmen des «Novemberschreibens Schweiz» angefangen. Ziel des Anlasses war es, dass Interessierte innerhalb von einem Monat mindestens 50 000 Worte für sich schreiben und so die Freude am Handwerk entdecken können. Damals hatte sie gerade ihre zweite Tochter bekommen und widmete sich Vollzeit der Kinderbetreuung. «Das war sehr anstrengend, aber mein Kopf kam zu kurz – Schreiben war der perfekte Ausgleich», sagt sie und betritt den Picknickplatz auf dem Suhrerchopf. Von hier lässt sich das ganze Wynen- und Surental überblicken.

Ursprünglich hat die gebürtige Deutsche Geologie studiert. Was sie auch in ihrem ersten Buch «Schwermetall», einem packenden Umweltkrimi, aufgenommen hat: «Ich habe darin ein bisschen meine Diplomarbeit verarbeitet», erklärt Haller und verlässt den Picknickplatz Richtung Wald. Als Geologin hat sie selbst aber nie gearbeitet. Für die Liebe ist sie nämlich direkt nach dem Studium in die Schweiz gezogen, wo sie als Geologin keine Anstellung fand. So landete sie bei einer Versicherung, bis sie schliesslich zur «Vollzeit-Familienmanagerin» wurde. Autorin sei ihr Nebenberuf, wie Haller gerne sagt – und das, obwohl sie inzwischen über 20 Bücher geschrieben hat. Fast alles davon Krimis, aber auch einige Kinderbücher. «Ich lese einfach selbst am liebsten Krimis, darum bin ich wohl in diesem Genre gelandet», sagt sie und schlendert den Waldweg entlang. Ein Jogger mit Hund läuft vorbei. In der Ferne ist ein älteres Ehepaar zu sehen, das gerade eine Bank am Wegrand verlässt.

Ein direktes Vorbild hat Haller nicht, aber inspiriert werde sie oft vom Schreibstil einer ihrer Lieblingsautorinnen: der US-Amerikanerin Kathy Reichs. «Sie schreibt locker und spannend, das möchte ich auch.» Hochstehende und komplizierte Literatur sei nicht ihr Ziel. Zu Hallers erfolgreichen Romanreihen gehören die Andrina- und Samantha-Krimis. Erstere spielen im Aargau. Dabei weist die Hauptfigur in vielen Zügen Ähnlichkeiten mit Haller selbst auf – eine Lektorin, die einst Geologie studiert hat. Die Samantha-Krimireihe spielt in Liestal im Baselbiet. Hier löst eine studierte Biologin, die in einem kleinen Kosmetikunternehmen arbeitet, Mordfälle. Diese Figur ist an die Biografie von Hallers Ehemann angelehnt: «Mir ist wichtig, dass ich die Berufe und Lebensumstände meiner Romanfiguren im weitesten Sinn verstehen kann, nur so wirken die Protagonisten authentisch.» Ganz realistisch muss es dann aber nicht immer sein, hier und dort nimmt sich die Autorin gerne ein paar kreative Freiheiten heraus.

Jeden Tag 1000 Wörter

Schreibblockaden kennt die Krimiautorin nicht. Jeden Tag schreibt Haller mindestens ein bis zwei Stunden an ihren Büchern. Ihr Ziel sei es, jeden Tag rund 1000 Wörter zu schreiben. Steht das Rohgerüst, liest ihr Mann als erstes gegen. Danach überarbeitet sie das Ganze noch einmal, dann geht das Geschriebene ins Lektorat. Alles im allem schreibt Haller so innerhalb von 6 bis 8 Monaten ein Buch. «Ich glaube, mein Trick ist, dass ich jeden Tag, aber nie lange am Stück schreibe», sagt sie und setzt sich auf eine Holzbank. Fällt ihr einmal nichts ein, verlässt sie den Schreibplatz und kehrt am nächsten Tag zurück. Auch ihre Familie hilft gerne bei der Entwicklung der Storys mit. So hat Haller auch die Idee ihrer mittleren Tochter mit einer Giftspinne als Mordwaffe in einem ihrer Bücher aufgenommen. Allen, die selbst gerne schreiben möchten, rät Haller: «Einfach anfangen und Spass haben.»

In Zukunft möchte sich die Krimiautorin auch gerne einmal an einen historischen Roman wagen – ihr zweitliebstes Genre. Bereits konnte Haller sich auch schon etwas an die Materie herantasten mit einem Buch, das sie an die Biografie eines Bekannten anlehnen durfte. Dieses wird im Frühling 2026 erscheinen. «Aber mein grosser Traum wäre es, einen historischen Roman über die Zeit des Zweiten Weltkrieges zu schreiben», sagt sie und hält kurz inne, lacht und fügt an: «Es würde wahrscheinlich am Schluss aber auch um einen Mordfall gehen.» So ganz ohne Kriminalfall geht es für Ina Haller dann doch nicht. Es ist Zeit für den Heimweg, zu Hause warten die Familie und das nächste Buch, an dem sie bereits wieder jeden Tag schreibt.

Zur Person

Ina Haller (52) schreibt Krimis. Schon über 20 Bücher hat die Suhrerin veröffentlicht. Manchmal hängt bei der Plotentwicklung gar ihre ganze Familie mit drin.