Süsser die Glocken nie klingen...

Von
Michael Hunziker, Philippe Neidhart, Alisa Fäh, Beat Blaser, Louis Rüegger und Verena Naegele

Oh ja, richtig. Es geht Richtung Bescherung. Da kann ein bisschen Ablenkung nicht schaden. Für diese auf Besinnlichkeit und Oh-Du-Rührseligkeit gestriegelten Tage haben wir eine kulturelle Pralinenkiste entworfen, mit der es sich dem Jahresende entgegenfrönen lässt. Es ist ein säkularer Kalender geworden, der es in sich hat.

Das Matthias Tschopp Quartet.

Mit Miros Farben

SOUNDS Wie tönen Bilder von Joan Miró und Jean-Michel Basquiat? Das Matthias Tschopp Quartet wagt eine musikalische Übersetzung der Expressionisten. Mit improvisatorischer Wucht folgen die Musiker um den Baritonsaxofonisten Tschopp den Motiven, Farben, Texturen, Kontrasten und Techniken der Werke. Wirbelnd bringen sie sie in den Dialog, schwelgerisch hören sie ihnen zu, avantgardistisch wagen sie eine Interpretation. Für abenteuerlustige Ohren und kunstinteressierte Augen. mh

BADEN Isebähnli, Mo, 1. Dezember 20.15 Uhr

«Tourist Trap» von Thom Lutz und seinem Ensemble.

In Trümmern alter Pracht

BÜHNE Fünf vergessen gegangene Angestellte warten in den Ruinen eines einstigen Touristenmagnets auf Kundschaft – und lassen aus Trümmern und übriggebliebenen Instrumenten die alte Pracht des Orts wiederauferstehen. Doch Erinnerungen sind notorisch lückenhaft und widersprüchlich, und wo sind wir hier überhaupt gelandet? Ist das ein Aussichtspunkt, oder eine Sackgasse? Ein mondäner Kurort? Oder nur eine Kulisse? Thom Luz und sein Ensemble komponieren im Musiktheater «Tourist Trap» in feinster atmosphärischer Dichte – mit Glasharmonika, Laute, E-Bass und Vogelstimmen – einen Abgesang auf eine alte Welt, die an Widersprüchen zugrunde geht. phn

AARAU Alte Reithalle, Di / Mi, 2./3. Dezember, 20 Uhr

Skitour auf den Titlis 1945.

Geschichte durch die Linse

AUSSTELLUNG Mit wachem Verstand richtete Milou Steiner (1915 – 1994) seinen Blick auf das gesellschaftliche und kulturelle Leben in der Schweiz – zwischen Strasse und Sportplatz, Bühne und Betrieben – stets mit einem Faible für das Unspektakuläre am Rand des Geschehens. In der Ausstellung «Wo das Leben spielt» zeigt das Aarauer Stadtmuseum in Zusammenarbeit mit dem Ringier Bildarchiv eine Bilderschau sowie eine Auswahl von Steiners Fotoreportagen. phn

AARAU Stadtmuseum, Do, 4. Dezember, 18.30 (Vernissage). Bis 31. Juli 2026

Aus dem Arbeitsprozess der Gastkünstlerin Angela Anzi.

Vielfältige Zusammenkunft

AUSSTELLUNG Hier sind sie nun versammelt: Das Aargauer Kunsthaus schafft Raum für fünfzig Werke aus der Region. Mit der Auswahl 25 verschreibt es sich dem Aargau und seinen Künstler*innen, mit all ihren verschiedenen Qualitäten. So entsteht ein Kaleidoskop, das die Vielfalt des Kunstschaffens im Kanton zeigt und die künstlerische Entdeckungsfreude anknipst. Ebenfalls zu erkunden: Die Werke der Gastkünstlerin Angela Anzi, in «Poisonous Potentials» verbindet sie Bildhauerei mit Sound. Wer durch den Raum wandelt, erlebt eine multisensorische Szenerie. Startpunkt war für Anzi die Tollkirsche, die sie mit Geschichten aus der griechischen Mythologie und der frühen Neuzeit verwoben hat. «Es entstehen hybride Resonanzräume, die zwischen mythologischer Erinnerung und gegenwärtiger Erfahrung oszillieren», so Anzi. Das passt zu dem, was die Ausstellung uns mitzugeben scheint: Schauen, was in Resonanz gerät und sich staunend annähern und die Welt durchs Kaleidoskop sehen. Von Alisa Fäh

AARAU Aargauer Kunsthaus, 29. November bis 18. Januar

Im Strudel der Selbstoptimierung.

Zwischen Innen und Aussen

BÜHNE Willkommen im Jahr 2113! Vieles ist veränderlich, diese Welt ist eine der Wandelbarkeit. Eine Klinik lässt jede gewünschte Anpassung wahr werden und ermöglicht das Morphen ins ideale Ich. Dort treffen sich drei Menschen, die einen zentralen Kompass teilen: Die eigene Aussenwirkung zählt als wichtigste Koordinate. Miriam Japp, Florian Steiner und Annina Walt verkörpern diese drei Figuren im Strudel der wildgewordenen Selbstoptimierung. Aber was ist mit dem Unsichtbaren, dem Innersten – was passiert mit diesem Diamanten? Und was, wenn da plötzlich ein liebevoller Blick ist, der diesen schimmernden Kern sieht und ihn mag, wie er ist? Martina Clavadetscher hat mit «Schein, du crazy Diamant!» ein Stück zwischen Komödie und Singspiel geschrieben. Inszeniert von der Regisseurin Sophie Stierle, mit Musik von Stefanie Hess kreist es um die zentrale Frage, inwiefern unsere Hülle unsere Identität prägt – und wofür es sich lohnt, die Wahrnehmung zu schärfen. Von Alisa Fäh

AARAU Alte Reithalle, 5. / 6. Dezember, 20 Uhr

«All Right, Good night.»

Verschwinden und Verlust

BÜHNE Am 8. März 2014 startete eine Boeing der Malaysia Airlines von Kuala Lumpur mit Zielort Peking – und verschwand vom Radar. Bald darauf schreibt der Vater der Autorin und Regisseurin Helgard Haug seinem Enkel vier Glückwunschbriefe zum Geburtstag. Ein Jahr später kommt gar keine Karte, der Geburtstag war wohl vergessen worden, und irgendwann bekommt diese Vergesslichkeit einen Namen: Demenz. Haug zeichnet in «All right. Good night» das Verschwinden, die Suche und das Ringen mit der Ungewissheit nach – am Beispiel des Flugzeugs und der sich manifestierenden Demenz des eigenen Vaters. phn

BADEN Kurtheater, Sa, 6. Dezember, 19.30 Uhr

Das Blechbläserensemble Brasseria.

Melodien vom Knusperhäuschen

KLASSIK Wenn Hänsel und Gretel durch den geheimnisvollen Wald voller Gefahren irren, ist Abenteuer garantiert: Das Blechbläserenseble Brasseria und die Sängerin und Erzählerin Stefanie C. Braun präsentieren Engelbert Humperdincks berühmte Märchenoper aus den frühen 1890ern in einer fesselnden Bearbeitung, die grosse und kleine Zuhörer*innen gleichermassen in ihren Bann zieht. Ein musikalisches Erlebnis vom Knusperhäuschen über die böse Hexe bis zum glücklichen Ende, das einen spannenden Konzertmorgen voller Fantasie verspricht! Ab 5 Jahren. phn

BOSWIL Künstlerhaus, So, 7. Dezember, 11 Uhr

Vom Leben an den Grenzzäunen.

Die Menschen hinter den Zäunen

FOTOGRAFIE Auch jetzt, im Advent, wenn die Welt für ein paar Wochen eigentlich zur Ruhe kommen sollte, sind Menschen unablässig unterwegs, nur mit dem, was sie gerade tragen können. Sie haben ihr Leben hinter sich lassen, weil Krieg über sie hereingebrochen ist, weil sie verfolgt werden, weil sie keine Perspektive mehr sehen. So sind sie auf der Flucht und auf der schieren Suche nach Möglichkeiten, irgendwo unterzukommen, anzukommen, vielleicht Wurzeln zu schlagen. Doch die sicherheits- und schutzversprechenden Länder haben sich in Stacheldraht gehüllt, die gesellschaftspolitischen Realitäten schicken die Menschen auf irrsinnige Routen und in humanistisch fragwürdige Provisorien. Klaus Petrus, ehemaliger Philosophieprofessor, dokumentierte die Menschen hinter dem Schlagwort Migration an den Peripherien bei den Grenzzäunen. Am Multimedia-Vortrag «Spuren der Flucht» bringt er uns seine Erlebnisse näher. mh

AARAU Kultur- und Kongresshaus, So, 7. Dezember, 18 Uhr

Skinny Bird veranstalten ein Recycling-Spektakel.

Recycling-Spektakel und Mitmachgeschichten

BÜHNE Jeden Montag vor Weihnachten öffnet das Kurtheater seine Türen für jene von uns, die noch an das Christkind glauben. So können die Kinder etwa in der Schneeflockengeschichte mit dem Theater Vergissmeinnicht gemeinsam Tierfiguren basteln und den Verlauf der Erzählung mitbestimmen (1.12.). Oder an einem Ökopunk-Konzert von Skinny Bird ein Recycling-Spektakel mit Kartonkisten und Verpackungsmaterial mitsingen und mitfeiern (8.12.). Und schliesslich nimmt die Erzählerin Irène Novak-Lüscher die jungen Theaterbesuchenden mit auf eine Reise durch drei fantasievolle
Geschichten (15.12.) mh

BADEN Kurtheater, jeweils Montag im Advent, 18 Uhr

Lubna Abou Kheir und Ursina Greuel im (musikalischen) Dialog.

Willkür des Asylsystems

BÜHNE Zwei Frauen begegnen sich in der Schweiz. Die eine ist aus Syrien geflohen, die andere aus der Ukraine. Beide kamen als Asylsuchende, doch ihre Startbedingungen könnten nicht unterschiedlicher sein: Während ukrainische Geflüchtete von der Öffnung von Grenzen und Arbeitsmarkt profitieren, erfahren nichteuropäische Asylsuchende keineswegs dieselbe Unterstützung und werden zu Geflüchteten zweiter Klasse. Lubna Abou Kheir und Ursina Greuel präsentieren uns mit «Fünf Uhr morgens / «П'ята ранку» / ارجف ةسماخلا » ein Stück zwischen drei Sprachen, sie reden und singen gegen- und miteinander, bis sich ihre Sprachen und Klänge zu einem überraschend neuen Sound verbinden. Empfohlen ab 14 Jahren. phn

AARAU Tuchlaube, So, 7. Dezember, 17 Uhr, Di, 9. Dezember, 20 Uhr

Kamilya Jubran (Oud) und Werner Hasler (Trompete).

Kosmopolitische Annäherungen

SOUNDS Der Trompeter und Elektroniker Werner Hasler kommt aus Bern und die Sängerin und Oud-Spielerin Kamilya Jubran aus Ostjerusalem; er kommt vom Jazz her, sie von der arabischen Musik – dazwischen tut sich ein weites Feld auf, geografisch und musikalisch, welches die beiden gemeinsam bestellen. Seit Jahrzehnten arbeitet Werner Hasler an seiner ganz persönlichen Klangwelt; mit Trompete, elektronischen Klangerzeugern und allerlei Gadgets schafft er eine Musik, die aus den Weiten des Raums zu kommen scheint. Kamilya Jubran erlebte eine völlig andere musikalische Sozialisation: Geboren als Palästinenserin im Norden Israels, ausgebildet an der Hebräischen Universität in Jerusalem und heute sesshaft in Paris, ist sie eine Weltbürgerin und in der Lage, mit ihrem Gesang und ihrem Spiel auf der Oud, der arabischen Kurzhalslaute, sich jeder Klangwelt anzunähern. Zum Beispiel jener von Werner Hasler. Seine sphärischen Trompeten und Synthesizersounds mischen sich auf wundersame Weise mit ihren Liedern und Melodien, die einem völlig anderen Tonsystem gehorchen, und die in den arabisch gesungenen Texten sehr konkret vom Leben in der Fremde erzählen. Eine musikalische Reise quer über das Mittelmeer! Von Beat Blaser

BADEN Stanzerei, Mi, 10. Dezember, 20.15 Uhr

Unter Tieren: Vier Künster*innen widmen sich Bachmanns Textcollage.

Musikalisch-szenische Menagerie

BÜHNE Es ist eine komplexe Beziehung: der Mensch und das Tier. Wir geben den animalischen Gefährten Namen, lassen sie in unseren Betten schlafen – wir rotten sie aus, schlachten und verspeisen sie, pferchen sie ein. «Unter Tieren» heisst die Textcollage von Dieter Bachmann, eine szenische Verdichtung seines gleichnamigen Buches mit irrwitzigen Dialogen und aufrüttelnder Prosa. Die beiden Theatermacher*innen Graziella Rossi und Helmut Vogel hauchen dem Text auf der Bühne Leben ein, musikalisch begleitet von Christoph Baumann am Piano und Matthias Ziegler mit seinen selbst entworfenen Flöten. Ein melancholisches und gleichermassen irrwitziges Varieté, das zum Nachdenken anregt. phn

BADEN Thik, Do / Fr, 11. / 12. Dezember, 20.15 Uhr

Wenn Eltern eskalieren wird es tragisch – und komisch.

Gott des Gemetzels

BÜHNE Zwei Elternpaare treffen sich zur Krisensitzung. Der Sohn des einen Paares hat demjenigen des anderen im Streit zwei Zähne ausgeschlagen. Die Eltern haben sich vorgenommen, die Sache in zivilisierter Art und Weise zu besprechen. Doch es dauert nicht lange, da artet die höfliche Diskussion in eine regelrechte Schlammschlacht aus. Innereheliche Konflikte flammen auf, die Koalitionen in diesem Schlagabtausch wechseln minütlich und je mehr vom kredenzten Alkohol fliesst, desto unerbittlicher spitzt sich das Desaster zu. Yasmina Rezas Komödie «Der Gott des Gemetzels» dekliniert Fragen nach Elternschaft, Erziehung und sozialen Normen auf bitterböse und zum Schreien komische Weise durch – ein theatrales Ereignis! Von Louis Rüegger

KAISERSTUHL Kaiserbühne, div. Daten, bis 31. Dezember;

kaiserbuehne.ch

Nehmen uns mit auf eine hypnotische Klangreise in Surround: Dub Spencer & Trance Hill.

Hypnotischer Groove

SOUNDS Eine psychedelische Klangreise gefällig? Bei Dub Spencer & Trance Hill treffen analoge Synthies auf hypnotische Drum-Patterns, verspielte Gitarren auf einen treibenden Bass – verpackt in abstrakte Songstrukturen. Ihr neustes Werk «Synchronos» glänzt ob der Experimentierfreude und Vielschichtigkeit, die an den Tag gelegt wird: Das namensgebende Amalgam aus Dub und Trance wird veredelt mit Einflüssen aus Jazz, Rock und organischem Techno. Dabei entsteht ein Sound, der Live gespielt werden will – und dank dem Münchner Mischpult-Magier Umberto Echo dürfen wir das Ganze im Kiff in Surround erleben. Eröffnet wird der Abend vom Electronica-Trio Gewächshausgärtner, das uns mit ihren warmen Harmonien in eine melodiöse Oase mitten im Aarauer Kleinstadtdschungel entführt. phn

AARAU Kiff, Sa, 13. Dezember, 20.30 Uhr

«Elise und das vergessene Weihnachtsfest».

Niemand erinnert sich an Weihnachten …

FILM In Zusammenarbeit mit dem Kino Orient zeigt das Kindermuseum den norwegischen Weihnachtsfilm «Elise und das vergessene Weihnachtsfest» (NOR 2019). So viel sei gesagt: In dieser warmherzig-märchenhaften Geschichte aus dem hohen Norden spielt der Adventskalender eine tragende Rolle. Mehr wird an dieser Stelle nicht verraten. phn

BADEN Orient, So, 14. Dezember, 11 Uhr

Silberblick, 2022. Eisblumiertes und versilbertes Glas.

Fest der Düfte

AUSSTELLUNG Es gibt da draussen feinstoffliche Nebel, die uns zauberhaft zurück in die Kindheit bringen, ja luzide Erinnerungen triggern und Stimmungen auslösen: Die Rede ist natürlich von den Düften. Sie machen ja erst Weihnachten zu dem, was es ist: ein sinnlich-emotionales Erlebnis, das Jahre und Jahrzehnte miteinander verbindet. Wie riecht frisch gefallener Schnee? Was fühlen wir beim Duft von Zimt und Tannenholz, welche Assoziationen kommen beim Weihrauch hoch? Das Kloster Muri widmet seine diesjährige Weihnachtsausstellung dem Geruchsinn. In interaktiven Duftstationen begegnen uns in Kunstwerken von Salome Bäumlin, Lorenz Olivier Schmid und Julia Steiner (u.a.) verschiedene kulturelle Konzeptionen dieses universellen Festes. mh

MURI Kloster, bis 4. Januar

Adventskalenderträume im Kindermuseum.

Ein begehbarer Adventskalender

DIES & DAS Wir alle haben bestimmt schon mal von einem grossen Adventskalender geträumt – so gross, dass man durch ihn hindurch gehen kann. Diesen Traum hat das Kindermuseum in Baden wahr gemacht: Zu entdecken gibt es hier «Türchen» mit 24 Objekten aus der Sammlung mit einer passenden Adventskalender-Geschichte von Simon Libsig. Die 24 Streiche des Weihnachtswichtelkindes Wanda Wolkenbruch können vor Ort oder jeden Tag auf der Internetseite des Kindermuseums gehört werden. mh

BADEN Kindermuseum, bis 11. Januar

Ein Stück über das Leben zwischen Sein und Darstellung.

The Interrogation

BÜHNE Milo Rau, gefeierter Theatermacher, und Édouard Louis, Bestsellerautor und Aushängeschild der neuen engagierten Literatur in Frankreich, haben gemeinsam ein Theaterstück geschrieben. Es ist ein intimer Text, der von Louis’ Leben handelt und den Rau inszeniert hat. Auf der Bühne steht ein junger, schmächtiger Mann in weissem Hoodie, Jeans und Sneakers – Édouard Louis. Ja, aber nicht leibhaftig. Louis wird vom Schauspieler Arne De Tremerie gespielt, der ihm auf den ersten Blick sehr ähnlich sieht. Die Trennschärfe von Realität und Fiktion ist in diesem Stück von Beginn an in Frage gestellt. So auch inhaltlich, wenn De Tremerie in der Rolle des Édouard Louis erzählt, dass die Schauspielerei schon seit jeher ein essenzieller Bestandteil seines Lebens war. Denn Louis ist homosexuell und wuchs in einem homophoben Umfeld auf. Aus Selbstschutz musste er daher ständig behaupten, ein anderer zu sein, als er eigentlich war. Spielen, Werden und Sein – die drei Urzustände der Schauspielerei werden in The Interrogation zum Ausgangs- und Endpunkt der biographischen Erzählung erklärt. Das Verschwimmen von Realität und Fiktion wird in diesem melancholischen Theaterabend zur Bedingung wahrhaftigen
Erzählens. Von Louis Rüegger

BADEN Kurtheater, Mi, 17. Dezember, 19.30 Uhr

Multiflötist Matthias Ziegler.

Gespickter Braten

SOUNDS Beim Pianisten Christoph Baumann sind musikalische Überraschungen immer zu erwarten. Er liebt es, sich auf das Ungeplante einzulassen, und dank seiner vielseitigen Kompetenzen kann er blitzschnell reagieren. Mit dem Multiflötisten Matthias Ziegler und dem Perkussionisten Andi Pupato bereitet er das zu, was er selber «Gespickter Braten» nennt: Jeder der Musiker bringt ein paar Zutaten mit, zusammen wird gemischt, gespickt, gebraten und garniert – der verführerische Duft von improvisierter Musik wird uns um Nase und Ohren streichen! Von Beat Blaser 

BADEN Unvermeidbar, Do, 18. Dezember, 20.30 Uhr

Elektropunkerin Camilla Sparksss.

Avantgardistisches Synthiegewitter

SOUNDS Das Kick Drum bohrt sich in die Gehörgänge, rasiermesserscharfe Synthies zerschneiden die Luft – darüber schwebt die fesselnde Stimme von Barbara Lehnhoff alias Camilla Sparksss. Wenn die Musikerin hinter den Turntables steht, dann wird es wild. Auf ihrem mittlerweile vierten Werk «ICU Run» setzt die Musikerin zu einer veritablen Dekonstruktion musikalischer Genres an, springt von brachialem Industrial und düsterem Dark Wave zu Hip-Hop und Pop, um wieder in den verrauchten Technokeller abzusteigen. Nichts ist zu verstörend, dem Sound und eurer ekstatischen Tanzwut sind keine Grenzen gesetzt. Unterstützung erhält die schweizerisch-kanadische Elekropunkerin an diesem Abend vom Trio Heinz Herbert. Auch sie haben eine neue Platte am Start, und diese verspricht eine erstklassige Mischung aus elektronischem Klub-Sound und handgemachter Musikkultur. Noch einmal so richtig aufdrehen vor dem Weihnachts-Zirkus! phn

BADEN Royal, Fr, 19. Dezember, 21.30 Uhr

Soft Loft bauen einen melodiösen Safespace.

Wie ein warmer Kokon

SOUNDS Nach ereignisreichem Jahr und einer intensiven internationalen Tour mit über 50 Shows und Stationen wie London, Paris und Berlin landen Soft Loft im Salzhaus Brugg – für ein Heimspiel gewissermassen. Mit im Gepäck haben die Musiker*innen um Sängerin und Songwriterin Jorina Stamm neben Songs aus ihrem Debütalbum «The Party and The Mess» auch ihre neue EP «Modern Roses», die im April dieses Jahres erschienen ist. Mit ihrem dreamigen, poppigen, ja psychodelischen Sound verwandeln sie das Salzhaus in einen Safespace. Ihre Melodien weben einen schützend warmen Kokon, eine vertraute Stimme versöhnt die melancholische Weihnachtszeit mit ihrer dunklen Seite, dann gerät alles in Bewegung und zwischen unseren einsamen, verletzlichen Seelen entsteht eine Verbindung. Vor der Bescherung einfach nochmals durchatmen: Hier kannst du sein. mh

BRUGG Salzhaus, Sa, 20. Dezember, 21 Uhr

Jordi Savall.

Weihnachtsvorfreude mit Jordi Savall

KLASSIK Fällt der Name Jordi Savall, dann sind Barock-Liebhabende wie elektrisiert. Er ist, zusammen mit seinen Mitspielern, ein Meister der alten Musik, der die Grenzen zwischen Komposition und Improvisation raffiniert auszuloten versteht. In Boswil präsentiert das Ensemble zum Advent einen bunten Strauss an Musik der Zeit, ob beliebte «Folies d’Espagne» oder Romanescas. Alle Stücke klingen unter den Händen von Savall und seinen vier Kollegen ansteckend frisch, und da immer wieder improvisiert wird, jedes Mal anders und neu. Von Verena Naegele

BOSWIL Künstlerhaus, So, 21. Dezember, 17 Uhr

Vocalino Wettingen.

Chormusik nach Herzenslust

KLASSIK Am Stephanstag lädt Vocalino Wettingen in die stimmige Kapuzinerkirche Bremgarten zu Chorwerken a capella ein. Präsentiert werden Stücke, die das junge Ensemble auf eine Tournee nach Tschechien und Polen mitgenommen hat und Erfolge feierte. Da gibt es «Locus iste» von Bruckner neben dem rätoromanischen «La sera sper il lag» von Gion Casanova, oder «Weischus dü?» von Eugen Meier neben «Wie lieblich sind deine Wohnungen» von Brahms. Auch Englisches darf nicht fehlen, so «Soon ah will be done» von William Dawson. Für Abwechslung ist gesorgt. Von Verena Naegle

BREMGARTEN Kapuzinerkirche, Fr, 26. Dezember, 17 Uhr

Laut und unberechenbar: Simia Sapiens.

Schonungslose Kapitalismuskritik

SOUNDS Rasende Drums, hässige Lyrics, mächtige Gangshouts und ausgefeilte Gitarrensolos – Simia Sapiens melden sich zurück! Sieben lange Jahre mussten wir uns auf neuen Sound der Aarauer Stoner-Punk-Rocker gedulden, nun werden wir kurz nach Weihnachten im Kiff reich beschenkt – lauter, technischer und progressiver als je zuvor. Doch die Message dahinter ist dieselbe geblieben: Für Menschenrechte und offene Grenzen, gegen das Bünzlitum und ausbeuterische Grosskonzerne. Beste musikalische Therapie also nach den konsumgetriebenen Weihnachtstagen. Und damit das Ganze auch bitzli ausartet, erhalten sie an diesem Abend musikalische Rückendeckung von The Attycs, Corokia und The Fürobig & Bigwood. phn

AARAU Kiff, Sa, 27. Dezember, 20.30 Uhr

Sean Gandini und Compagnie verzaubern die Bühne.

Nichts, wie es scheint

BÜHNE Hereinspaziert ins Absurditäten-Jonglage-Kabinett. Hier wachsen den Artist*innen schon mal sechs Hände, die einander Stofftücher aus den Ohren ziehen, Objekte zum Verschwinden und in anderen Formen wieder zum Erscheinen bringen. Ja, das ist das Reich, in das Sean Gandini und seine Compagnie das Publikum mitnimmt. Die Produktion «Heka», benannt nach der ägyptischen Gottheit für Magie, taucht die Bühne in ein hybrides Zwielicht, zwischen Möglichem und Unmöglichem, wo sich Humor, Philosophie und Poesie vereinen. Ab 8 Jahren. mh

AARAU Alte Reithalle, Sa, 27. Dezember, 19 Uhr; So, 28. Dezember, 17 Uhr