Unterwegs

Spitzensport-Sopranistin und Metal-Symphonie

Text und Bild
Tania Lienhard

Unterwegs mit Debora Lavagnolo

Auf dem Weg nach Birrhard frage ich mich, wer wohl hinter dieser kraftvollen, hohen Stimme und der zuweilen harten, schnellen Musik von Deep Sun steckt. Ich werde Leadsängerin Debora Lavagnolo treffen und bin schon sehr gespannt, ob ich ihr die Symphonic-Metal-Sängerin wohl anmerke – und wenn ja, wie. Die Musik von Deep Sun jedenfalls hat beim Hören etwas mit mir gemacht. Die Videos zu den Songs entführten mich in eine andere Welt – ich wurde hineingezogen in das faszinierende Spiel von harten Beats und hohen Tönen. Und der für Metal so typische mystische Touch war natürlich auch dabei.

Als Debora die Tür öffnet, fühle ich mich sofort herzlich willkommen. Wir wechseln vom kurzen Smalltalk gleich in ein richtiges Gespräch, diskutieren über Gott und die Welt und natürlich über Musik. Und das, auch wenn – oder gerade weil – meine Kenntnisse darüber eher beschränkt sind. Denn Musik, und das ist nichts Neues, funktioniert in erster Linie über die Emotionen.

Die ehemalige Spitzensportlerin – Debora gehörte dem Leichtathletik-Nationalkader an – war bereits als Kind tief mit Musik verbunden. Lange gab sie aber dem Sport den Vorzug. Entschieden für die Musik habe sie sich schliesslich mit Ende 20, wie sie sagt. Eine gewisse Zeit habe sie die beiden intensiven Hobbys parallel betrieben. Über die Frau ihres Leichtathletik-Coachs, die Gesangslehrerin ist und jemanden von einem Konservatorium kennt, sei sie dort zu Unterrichtsstunden gekommen. «Ich bin ausgebildete Sopranistin», sagt sie. Schliesslich habe sie sich aus dem Spitzensport zurückgezogen und ihre Freizeit ganz dem Symphonic Metal zu widmen begonnen. «Ich kam durch meinen späteren Mann Tobias mit diesem Musikgenre in Berührung. Und dann war es eine Art Erleuchtung für mich: Als ich zum ersten Mal ein Lied von Nightwish hörte – das ist eine finnische Symphonic-Metal-Band, die stilprägend war und ist – wusste ich, dass ich so klingen wollte wie die Leadsängerin Tarja Turunen.» Das eine ergab das andere – Debora Lavagnolo suchte sich eine Symphonic Metal Band und wurde von Deep Sun 2009 mit offenen Armen empfangen.

Wir sitzen am Fenster mit Blick auf den Garten, es ist viel zu heiss, um draussen zu sein. Ich spreche Debora auf den Ruf von Metal als eine eher düstere Musik mit ebensolchen Texten an und sie antwortet lachend: «Ich muss vielen Leuten zuerst erklären, was Symphonic Metal überhaupt ist: nämlich Metal mit klassischem Clean-Gesang und orchestralen Elementen. Symphonic Metal ist episch, gross. Und düster sind wir eher weniger. Tobias sieht sowieso aus wie ein Informatiker», sagt sie scherzend. Ihr Mann Tobias Brutschi stiess kurze Zeit nach Debora zu Deep Sun. Er ist Schlagzeuger und managt mittlerweile die ganze Agenda der Band. Debora erzählt weiter, dass ihre Texte vor allem positiv seien. «Wir wollen unseren Fans einen guten Vibe für den Alltag mitgeben.» Sie schreibt die Texte selbst, passend zur von ihren Bandmitgliedern Tom Hiebaum und Angelo Salerno komponierten Musik. «Ich lasse mich dafür gern vom Alltag inspirieren, oder auch von Märchen und anderen Geschichten.» Mit Deep Sun spielt sie auf Festivals im In- und Ausland. Vor allem Osteuropa ist für Metalmusik zu begeistern. In der Schweiz von der Musik zu leben, funktioniere für sie nicht. «Das ist eh schon schwierig und mit einer Stilrichtung, die viele gar nicht kennen, eigentlich nicht machbar.» Deswegen arbeite sie weiterhin 80 Prozent bei der Staatsanwaltschaft Lenzburg-Aarau im Büro. Dass sie oft freinehmen müsse für Konzerte und Festivals im Ausland, sei zum Glück kein Problem. «Meine Arbeitgeberin ist sehr kulant.» Dennoch: Der Aufwand, den Deep Sun betreibt, ist riesig, der Ertrag klein. Warum macht sie das? «Es ist ein innerer Antrieb. Ich liebe es, auf der Bühne zu stehen, ich liebe die Live-Shows. Das ist das, was nicht nur mich, sondern uns alle antreibt.» Dabei helfe, dass die Bandmitglieder eine sportliche Vergangenheit hätten und deswegen auch zielorientiert seien. Das spüre man deutlich bei ihren gemeinsamen Musikprojekten. «Alle ziehen am selben Strang.»

Mitte Mai erschien mit «Storyteller» das fünfte Album der Band. «Wir haben unseren Stil gefestigt, uns selbst und das, was uns als Band ausmacht, gefunden. Wir sind jetzt dort, wo wir hinwollten. Das haben wir auch dem österreichischen Produzenten Frank Pitters zu verdanken.» Deep Sun arbeitet seit dem vierten Album «Dreamland – Behind the Shades» mit ihm zusammen. «Insgesamt ist das aktuellste Album orchestraler, powervoller, epischer als die anderen.»

Die Band möchte ihren Bekanntheitsgrad noch einmal steigern, «schauen, was alles möglich ist», sagt Debora. Mit «Storyteller» gehen sie bald auf Tour, Shows in Belgien, Tschechien, Österreich, Deutschland und der Schweiz stehen an. «Eins unserer Ziele ist, in Zukunft wieder mit einem Nightliner unterwegs zu sein, von Konzert zu Konzert zu fahren. Wir haben das bereits zweimal gemacht und es war jeweils eine tolle Zeit», sagt Debora.

Nach unserem Gespräch wünsche ich ihr viel Erfolg und verabschiede mich. Debora Lavagnolo schlüpft in ihrer Band in eine Rolle, denke ich. Und das auf eine noch deutlichere Art, als Sänger*innen anderer Stilrichtungen es tun. Und doch wirkt sie sowohl im «echten» Leben als auch als Leadsängerin von Deep Sun zu hundert Prozent authentisch auf mich. Das muss man zuerst mal machen.

Deborah Lavagnolo wohnt in Birrhard. Die ehemalige Spitzensportlerin ist heute ausgebildete Sopranistin und singt in der Metal-Band Deep Sun.