Sensitive Coolness

Von
Michael Hunziker

Soft Loft

Die Band Soft Loft aus Brugg ist innert kurzer Zeit durchgestartet: Ihre Songs laufen in Heavy-Rotations auf Radio SRF und KEXP. Nun ist ihr Debut-Album erschienen und eine internationale Tour durch Europa steht an. Und sie sind sie im Rennen um den Swiss Music Award. Wir haben uns mit der Sängerin Jorina Stamm unterhalten.

Auf Eurem Album «The Party And The Mess» besingt ihr das Unvollkommene, die Verletzlichkeit und die Melancholie. Wie haben sich diese Themen ergeben?

Jorina Stamm: Alle Songs auf dem Album sind autobio- grafisch. Sie handeln von Erfahrungen, die ich persönlich, oder die Leute um mich herum gemacht haben. Gerade die Verletzlichkeit: Social Media mit ihren polierten, normieren- den Bildwelten setzen Menschen unter Druck, ihre Gebro- chenheit zu kaschieren, und erzeugen zu hohe Erwartungen, perfekt zu sein.

Der schnelle Erfolg kann auch eine Art von Druck generieren

Klar, aber für uns ist es gerade mega schön, was passiert. Wir haben mehr als zwei Jahre am Album gearbeitet, sind somit gut vorbereitet und geerdet, für das, was um uns nun geschieht. Und wir wollten unbedingt durchstarten, mit unserer Musik all-in gehen. Das war von Anfang an klar. Wir möchten von und für unsere Musik leben. Natürlich haben wir gerade viel Erwartungen an uns selbst, aber es läuft eigentlich genau so, wie wir es uns vorstellen.

Euch gibt Euch erst seit zwei Jahren in dieser Konstellation. Davor waren Sarina Schmid und du unter dem Namen Ellas unterwegs. Wie habt Ihr Euch zu Soft Loft zusammengefunden?

Sarina und ich sind schon sehr lange befreundet und machen schon lange Musik zusammen. Lukas Kuprecht ist in der gleichen Strasse aufgewachsen wie ich und er ist dazu gekommen, weil wir einen Schlagzeuger brauchten. Marius Meier, der Bassist, kam über Lukas zu uns, weil die schon in anderen Projekten zusammengespielt haben. Und Simon Boss, der Gitarrist, kam als letztes Mitglied dazu, weil er mit Marius studiert hat. Das ging alles recht schnell und zufällig, und es ist ein ziemliches Glück, dass wir uns alle so gut verstehen und das gleiche Ziel haben.

Wie seid Ihr auf den Namen Soft Loft gekommen?

Wiederum recht zufällig. Ich war mit meiner Mitbewohnerin am Bandnamen-Generator-Füttern und irgendwann kam das Wort Soft und ich dachte, ah, Soft ist noch cool. Aber nur Soft geht auch nicht. Und dann war Loft das naheliegendste, was sich darauf reimt. Auf den ersten Blick hat der Name keine tiefere Bedeutung, aber er spiegelt unser musikalisches Programm recht gut wider.

Jetzt, wo alles Fahrt aufnimmt, was macht das mit der Banddynamik?

Wir sind glücklich, dass wir die Chance bekommen, all diese Shows zu spielen. Nun steht ein langer Run von vielen Konzerten an. Wir haben noch nie so viel gespielt. Entspre- chend haben alle Respekt davor. Einerseits investieren wir viel Zeit in Auftritte, aber verdienen tun wir damit noch nicht wirklich. Es stellt sich also immer auch die Frage, wie wir das stemmen. Wir haben ja alle noch unsere Nebenjobs. Und das ist auch gut, damit wir das, was über Soft Loft reinkommt, wieder in das Projekt stecken und auch mal ein Musikvideo machen können. Ich arbeite beispielsweise 30 Prozent als Kindergarten-Lehrperson, was mir eine gewisse Sicherheit gibt.

Für die Songtexte bist du zuständig. Wie gehst du beim Schreiben vor?

Das Texten ist wie ein Ventil, durch das ich Spannungen rauslassen kann. Ich verarbeite Emotionen und Erfahrungen, sitze an die Gitarre und mache einen ersten Entwurf, recht intuitiv. In der Band überlegen wir uns dann das musikalische Gerüst, Sounds kommen hinzu und alle bauen daran als Kollektiv weiter.

Wie bist du musikalisch sozialisiert worden?

Ich habe von zu Hause viel Musik mitbekommen, weil mein Vater auch Musiker ist. Er ist Jazzer – Musik, die ich eigentlich nicht so höre. Aber das hat mich auf den Weg gebracht. Zum Beispiel Joni Mitchell ist sehr wichtig für mich. Die hat er mir mitgegeben. Zuerst habe ich Geige gespielt, dann zum Klavier und schliesslich zur Gitarre gewechselt. Als Kind der späten Neunziger- und frühen Nullerjahre bin ich mit Popmusik aufgewachsen, Justin Bieber und all diesen Sachen. Als Musikerin habe ich mich vor ein paar Jahren in der Indie-Alternative-Folkszene wirklich gefunden.

Euer Album wurde von Gianluca Buccellati produziert, der auch schon mit Lana Del Rey oder Arlo Parks arbeitete. Wie hat sich diese Zusammenarbeit ergeben?

Wir haben eine lange Liste mit Leuten gemacht, mit denen wir zusammenarbeiten wollten, wobei wir uns keine Grenzen setzten. Gianluca hat viele Sachen produziert, von denen wir Fan sind. Wir haben ihn einfach angeschrieben, er hat zurückgeschrieben, ein Hin und Her zwischen Los Angeles und hier. Bei Videocalls haben wir ihm Songideen gezeigt und er hat uns beim Arrangieren beraten. Dann ist er zwei Wochen nach Engelberg gekommen und wir haben mit ihm zusammen das ganze Album aufgenommen. Im Gasthaus Grünewald haben wir verschiedene Räume zu einem Studio umfunktioniert. Gianluca hat uns darin bestärkt, eine gewisse Imperfektion zuzulassen – das ist ja auch das, was uns ausmacht.

Euer Album ist im Selbstverlag erschienen. Habt Ihr kein Label gesucht?

Das stimmt so nicht ganz. Erste Singles und eine EP haben wir selbst veröffentlicht. Parallel dazu haben wir uns für die Labelsuche viel Zeit genommen. Mit Gianluca und unserem Management als Unterstützung haben wir internationale Labels angefragt, teils Dialoge geführt. Aber es ist einfach sehr schwierig als Schweizer Band, die noch nie etwas herausgebracht hat, bei so einem Label einen Vertrag zu unterschreiben, der auch inhaltlich stimmt. Am Ende dieses Prozesses haben wir uns für das Basler Indie-Label Radicalis entschieden. Und damit nicht für einen Big Player, sondern für Menschen, denen wir vertrauen, die unsere Vision verstehen und auch über ein internationales Netzwerk verfügen.

Ist es nun eine besondere Genugtuung, wenn Ihr Euren Sound auf dem einflussreichen US-Radiosender KEXP hört?

Davon haben wir immer geträumt und es war ein Gänsehautmoment, als wir erfahren haben, dass wir in die Rotation genommen wurden.

Im Mai spielt Ihr im Royal, quasi ein Zwischenstopp zwischen Berlin und Brighton.

Es ist für uns ein Heimspiel, was es nicht einfacher macht, weil wir alle kennen. Schwierig und schön gleichzeitig. Es ist super, dort spielen zu dürfen, wo man auch privat gerne und oft hingeht. Aber vielleicht ist man dadurch bei der Show etwas zurückhaltender. Wobei unsere Auftritte eh nicht so auf Show aus sind. Uns geht es darum, eine gute Zeit zu haben und die Verbindung zum Publikum zu spüren.