Ausstellung

No Borders

Text
Michael Hunziker
Foto
Nathanael Gautschi

Between the Land and Sea I & II, 2025, Objekt aus Glas, Ishita Chakraborty.

Ausgezeichnete politische, poetische Kunst: Ishita Chakraborty erhält den Manor Kunstpreis Aarau. In ihren Werken verbindet sie interventive, partizipative Ansätze – eine Feier der Gemeinschaft. Zu entdecken im Aargauer Kunsthaus.

Ishita Chakrabortys Kunst widersetzt sich Grenzen: In ihren medienübergreifenden Werken, von Installationen, über Wandmalereien bis hin zu Soundarbeiten und Poesie, setzt sich die 1989 in Westbengalen (Indien) geborene Künstlerin mit Fragen der Migration, mit kolonialen Verstrickungen und Marginalisierungsprozessen sowie mit dem Klimawandel auseinander. Mit ihrer nicht nur konzeptionell grenzübergreifenden Arbeitsweise bezieht sie stets verschiedene Menschen mit ein, verleiht ihnen eine Stimme und lässt Stereotypen und festgefahrene Kategorien erodieren.

Seit 2017 lebt Ishita Charaborty in Möriken AG und arbeitet derzeit in ihrem Atelier in Schönenwerd. In ihrem aufs Lokale fokussierten Blick laufen stets auch globale Kontexte zusammen. Sie zeigt, wie der Mikrokosmos von historischen Zusammenhängen durchzogen, wie unser Alltag, vom Konsum bis zum politischen Diskurs, nach wie vor (post)kolonial formatiert ist.

Ein zentrales Element bei Chakrabortys Produktionsprozess ist ihr partizipativer Ansatz. Ihre Werke sind getragen von einer Vielstimmigkeit: So bringt die Künstlerin unterschiedliche Personen zusammen, etwa um gemeinsam Pilze zu formen und sich die eigenen Geschichten zu erzählen. Geflüchtete, Migrant*innen sowie Einheimische arbeiten mit Chakraborty gemeinsam an verschiedenen Werken. Das gemeinsame Zuhören wird sowohl in der Herstellung wie auch später in der Rezeption des Werks zu einer elementaren Geste. In diesem ökofeministischen, hierarchiekritischen Ansatz grenzt sich Chakraborty auch klar von einem (traditionellen) von Individualismus und Personenkult besessenen Kunstmarkt ab und demonstriert die Stärke kollektiver Praxis. Auch das ist ein Statement mit Tragweite. In einer Zeit, in der demokratische Grundwerte unter Druck geraten und digitale Echokammern die Diskurse und die Meinungsbildung beeinflussen, wird die gemeinsam erarbeitete Kunst zum Moment subversiver Irritation und sozialer Bewusstseinsbildung.

«Ishita Chakrabortys Werk schafft auf beeindruckend intime Weise Zugang zu Themen wie Aufbruch, Fremdsein und Ankommen und regt zu Diskussionen über Migration und Heimat an», schreibt Anouchka Panchard, die Kuratorin am Aargauer Kunsthaus. Auch die anlässlich des Manor Kunstpreises gezeigte Ausstellung im Kunsthaus sei in einem sich gegenseitig inspirierenden Austausch zwischen Kuratorin und Künstlerin entstanden. Die thematischen Schwerpunkte ihres Schaffens setzt Chakraborty in drei neuen Werkgruppen fort: Wie entstehen Grenzen, wie stabil sind politische Systeme, mag man sich fragen, wenn man die vielen, in stundenlanger, repetitiver Arbeit produzierten Stacheldrahtobjekte aus Porzellan betrachtet. Gleichzeitig schwingen die Ein- und Ausschlussmechanismen mit, die uns (manche mehr als andere) zwangsläufig begleiten. Dazu passen auch die aus Glas geblasenen Gitter-Absperrungen, mit denen Menschenmassen gelenkt und geschleust werden. In ihrer Materialität sind das fragile Objekte, in Bezug auf ihre Symbolik jedoch drastische Bedeutungsträger. Vor diesen Absperrungen sind die einzelnen Menschen zwar nicht gleich (je nach Status, Herkunft, Hautfarbe), doch alle, die davorstehen, auf welcher Seite auch immer, sind gleichermassen getrennt. Chakrabortys Werke verweisen damit auch auf das, was uns verbindet: das Bedürfnis nach Menschlichkeit, nach Gemeinschaft und Schutz.

Dieser Text ist in Zusammenarbeit mit Anouchka Panchard, Kuratorin Aargauer Kunsthaus, entstanden

Ishita Chakraborty

O bastante!, 2025, Wandzeichnung, Ishita Chakraborty

Resistance II, 2025, unglasiertes Porzellan, Ishita Chakraborty