Editorial

Kultur ist das Rezept

Von
Michael Hunziker

Das Januarloch gähnt noch in unseren Rücken. Aus seinem Sog schreiten wir Richtung Frühling, oder Vorfrühling, besser gesagt. Neugierig auf ein Kulturjahr, und wohl auch darauf, wie es mit der Welt nun weitergehen soll. Mit dem bröckelnden sozialen Zusammenhalt, dem brüchigen Demokratieverständnis, der Flirterei mit totalitären Ideologien, der Wut der einfachen Leute (99% der Weltbevölkerung) und den Kriegen.

Das WEF hat sich kürzlich ja auch wieder mit Zukunftsfragen auseinandergesetzt. Unter dem Motto «Rebuilding Trust» ist die «Elite» der Menschheit im märchenschneeverzuckerten Davos zusammengekommen. Dazu zählen sich die CEO von Nestlé, Unilever, Bayer, Amazon, IBM – also die Kaste des allerobersten Managements (kaum Frauen) will wieder das Vertrauen zurück. Auch ein paar hochrangige Politiker*innen redeten mit, sie wünschten sich ebenfalls, das Vertrauen wieder herstellen zu können. In ihrem Fall ist das ja ihr politisches Kapital (bei den demokratisch Gewählten zumindest). Nachdem der Vorschuss verspielt ist, gibt es bekanntlich selten Nachschub. Vertrauen ist eine harte Währung. Übrigens war ja Javier Milei auch da, der neue argentinische Kettensägen-Präsident. Wie sich das Leben in Argentinien gerade so anfühlt, das schreibt uns Nik Fischer, der für sechs Monate in Buenos Aires in einem Atelier weilt. Er teilt mit uns die ersten Eindrücke gleich nach seiner Ankunft: Jahresinflation 200%. Staatliche Kulturförderung? Nein. Und das wird sich wohl nächstens unter dem Kurs des Ultra-Neoliberalen nicht ändern.

Kultur fördert Kohäsion. Das ist das AAKU-Mantra. Zur Erinnerung, wir sind ein Zusammenschluss von Aargauer Kulturhäusern und haben entsprechende Interessen. Investitionen in Kultur stärken den sozialen Austausch, den zivilen Zusammenhalt, die Innovationskraft – letztlich das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger ineinander. Es wäre eine steile These, aber man könnte mal hergehen und schauen, wie es in Ländern und Städten mit gesellschaftlichen Problemen, mit totalitären, populistischen Tendenzen um Ausgaben in freie Kultur und öffentliche Bildung steht. Vielleicht gibt es da eine Korrelation.

Was nicht dem Gusto von Milei, Putin, Xi Jinping und Konsorten entsprechen mag, gehört hier noch zum Understatement: Die Kulturhäuser im Aargau stellen Experimentier- und Reflexionsräume bereit, bieten Unterhaltung und Kritik. Das Aargauer Kunsthaus etwa zeigt mit «Schau wie der Gletscher schwindet» eine Ausstellung über den sich verändernden Alpenraum. Im Kurtheater Baden trifft im Stück «Flüchtiges Eis» Klimaforschung auf Bühnenkunst – die Eismassen der Gletscher sind hierzulande in den letzten zwanzig Jahren um einen Drittel zurückgegangen. Da kann jetzt einer wie Javier Milei noch lange sagen, der Klimawandel sei ein Märchen. Weitere Beispiele gefällig? Einfach umblättern.

Noch kurz in eigener Sache: Wir begrüssen in dieser Ausgabe herzlich Eva Seck, die mit ihrer Kolumne zu «Flexionen des Alltags» Jens Nielsen beerbt. Zudem wird monatlich der Aargauer Kulturverband AGKV mit einer Kolumne vertreten sein. Und Rudolf Velhagen schreibt in das «Offene Objekt» von den verborgenen Botschaften der Dinge aus der Sammlung des Museums Aargau.