Susanne Holthuizen im Interview mit dem Technokünstler Schiller für Network TV
zvg
Vielleicht sind Sie beim Zappen schon mal hängengeblieben, auf dem Kanal 998 (Sunrise) oder 142 (Swisscom): Das ist der Sendeplatz von Network TV. Seit einem Jahr ist der Kulturkanal aus Brugg on air. Wir haben uns mit den beiden Macher*innen Susanne Holthuizen und Matthias Moser über ihr Projekt unterhalten.
Susanne Holthuizen: Matthias und ich arbeiten bereits seit sieben Jahren zusammen. Kennengelernt habe ich ihn, als ich als Gemeinderätin mein Nachhaltigkeitsprojekt vor einem Gremium vorstellte.
Matthias Moser: Als ich erfuhr, dass Susanne einen journalistischen Hintergrund hatte, dachte ich gleich, dass das passen könnte. Ich suchte jemanden, der für meine Dokumentarfilme vor der Kamera agieren konnte. So haben wir uns gefunden.
Holthuizen: Wir müssen etwas ausholen. Angefangen haben wir mit einem filmischen Städteportrait im Kinoformat über Chur. Danach kam eine Gemeinde auf uns zu, die eine niederschwellige Kommunikation für ihre heterogene Bevölkerung suchte. Wir planten mit ihnen einen Gemeindesender, der über den Servicekanal des Kabelnetzes laufen würde. Leider wurde das Projekt dann auf halber Strecke aufgegeben. Daraufhin fanden wir, dass wir uns weniger auf Gemeinden konzentrieren, sondern uns mehr Richtung Kultur bewegen wollten. Schliesslich eine meiner Hauptinteressen.
Moser: Weil wir uns intensiv mit dem Thema TV-Sender beschäftigt hatten, war dann der Sprung nicht mehr weit. Ein Sunrise-Techniker, mit dem wir für das besagte Gemeindeprojekt zusammengearbeitet hatten, meinte dann, warum macht ihr nicht gleich einen schweizweiten Sender? Und ein paar Monate später sassen wir mit der Geschäftsleitung des Telecom-Anbieters an einem Tisch.
Moser: Nicht auf Anhieb. Aber als sie realisierten, dass es einen privaten Sender für lokale Kultur in der Deutschschweiz so noch nicht gibt, und als sie hörten, dass wir auch mit der Swisscom Gespräche führen, hat es dann geklappt. Letztlich waren wir selbst verblüfft, wie schnell das ging.
Holthuizen: Wir möchten ein kleines Schweizer «Arte» werden, das der hiesigen Kultur Sichtbarkeit verschafft. Uns schwebt ein Mix von Interviews mit Kulturschaffenden vor, Musikvideos, aber auch Kurzfilme von Filmstudierenden und eigene Reportagen über Kulturinstitutionen und Ausflugsziele. Wir verfolgen einen Plattformgedanken: Wir wollen Filmschaffende und Kulturschaffende mit dem Publikum venetzen. Und wir haben einen breiten Kulturbegriff. Musik, Theater, Comedy – wichtig ist uns die Relevanz. Damit es die breite Bevölkerung interessiert. Wir sind seit einem Jahr auf Sendung, stecken aber immer noch in den Kinderschuhen
Moser: TV ist für uns ein Qualitätsmedium, das dir den Inhalt kuratiert in die Stube liefert. Im Internet muss man gezielt suchen. Das lineare Fernsehen mag vielleicht von gestern sein, aber Fernsehen an sich ist es nicht. Es gibt in der Deutschschweiz potenziell 3,6 Millionen TV-Zuschauer* innen täglich, denen Dating- und Quizshows vorgesetzt werden. Wir wollen Kulturinteressierte bedienen, die aus meiner Perspektive im jetzigen Angebot der Sender zu kurz kommen.
Moser: Wir versuchen, längerfristig auch via Social Media auf unser Programm aufmerksam zu machen. Ausserdem sind wir auch digital auf den Portalen von Swisscom und Sunrise erreichbar. Wir können uns vorstellen, dass wir in den späten Nachtstunden Musikvideos von lokalen Labels laufen lassen, was dann auch attraktiv ist für Junge. Und wenn es uns gelingt, eine Plattform für die Filmnachwuchsförderung zu werden, erzeugt das auch wieder einen Netzwerkeffekt.
Holthuizen: Wir sind derzeit daran, einen Programmblock zu gestalten: Das Aargauer Kulturfenster. Rund 20 Minuten, in denen wir über Kulturnews sprechen, Veranstaltungen, Ausstellungen und Personen vorstellen. Dabei ist auch eine Zusammenarbeit mit Aargau Tourismus denkbar, etwa wenn es um Ausflugsziele geht.
Holthuizen: Bei den Kulturschaffenden kommt unser Konzept sehr gut an. Bei der finanziellen Förderung wird es schwieriger. Wir fallen zwischen die traditionellen Förderkriterien.
Moser: Wir haben eine sechsstellige Summe investiert, quasi ein Einfamilienhaus. Wir erhoffen uns keine Rendite, aber Network TV soll längerfristig selbsttragend sein. Im Moment arbeiten alle Beteiligten ehrenamtlich. Denen wollen wir auch etwas bezahlen. Im Moment laufen wir auf unseren privaten Mitteln. Andere kaufen sich eine Harley und gehen fünfmal pro Jahr in die Ferien. Ich stecke das Geld lieber in dieses Projekt (lacht). Wir machen das, weil wir hier verankert sind und weil uns das Kulturschaffen interessiert. Wir rechnen schon mit Inserateeinnahmen, auch das Verkaufen unserer Beiträge an andere TV-Sender, die die Serafe-Auflagen nicht erfüllen können, wird Umsatz generieren.
Holthuizen: Sechzig Stunden pro Woche sind es schon, verteilt auf sieben Tage …
Moser: Ich konnte mein Optikergeschäft innerhalb der Familie übergeben und konzentriere mich nun hauptsächlich auf den Sender. Diese Arbeit macht mir enormen Spass, es ist spannend, so viele Welten gehen auf. Wir brennen für das Projekt. Andere sagen vielleicht, du hast einen Flick ab, solltest in deinem Alter einen Gang zurückschalten, aber Network TV hält uns auf Trab. Unsere Leidenschaft ist es, zu produzieren. Darum macht uns der Workload nichts aus.
Holthuizen: Durchaus Positives. Manchmal erkunden sich Leute nach dem nächsten Themenblock, oder wir haben anonyme Spenden erhalten, einfach aus dem Nichts. Ein Galerist erzählte uns, dass er Besuchende hat, die über uns auf ihn aufmerksam geworden sind. Das macht uns happy und bestätigt uns.
Moser: Als nächstes werden wir das Kulturfenster Aargau produzieren. Dann sind wir in Verhandlung mit Zattoo, damit sie uns in ihr Programm aufnehmen. Dann kämen wir auf eine 96-prozentige Abdeckung der gesamten Schweiz.
ZU DEN PERSONEN
Susanne Holthuizen (57) studierte Kommunikationsdesign in den USA, war Gemeinderätin von Lengnau AG, leitet seit 30 Jahren eine Kommunikationsagentur und ist Publizistin und Kulturbeauftragte. Matthias Moser (64), besuchte die Filmschule München, ist seit 25 Jahren als diplomierter Kameramann, Editor und Filmgestalter für Sender wie SRF, ORF, ARTE unterwegs. Zudem ist er Inhaber eines Optikergeschäfts in Brugg AG.