«Eine Millionensumme zu organisieren, ist ein wahnsinniges Projekt»

Interview
Michael Hunziker

Das KuZeB leistet einen wichtigen Beitrag für das kulturelle Leben in Bremgarten. Nun steht es zum Verkauf. zvg

Das geschichtsträchtige Kulturzentrum Bremgarten, kurz «KuZeB», steht vor einem Wendepunkt: Die Eigentümer*innen der Liegenschaft wollen die ehemalige Kleiderfabrik verkaufen – mit der Konsequenz, dass der kulturelle Freiraum womöglich einem renditegetriebenen Immobilienprojekt weichen muss. Die KuZeB-Aktivist*innen versuchen nun, den Kultur- und Begegnungsort zu sichern und ihrerseits ein Kaufangebot zu machen. Kristina und Silas gaben uns Einblick in die Pläne des Vereins.

Kamen die Verkaufspläne der Eigentümer*innen nach über dreissig Jahren KuZeB überraschend?

Wir haben den Kontakt mit der Familie Meyer stets gepflegt und noch im Frühjahr 2024 die Antwort erhalten, dass keine Verkaufspläne bestünden. So kam die Ankündigung für uns sehr überraschend und traf uns unvorbereitet. Ein möglicher Kauf war zwar immer wieder ein Thema. Jedoch haben wir uns nie intensiv damit auseinandergesetzt, da ja nie wirklich eine Verkaufsabsicht bestand. Wir haben auch nie so gewirtschaftet, dass wir Kapital hätten für einen möglichen Kauf. Das Geld, das wir an Veranstaltungen eingenommen haben, floss immer direkt in die Infrastruktur des KuZeB oder wurde an andere Projekte gespendet. Auch die Geschwindigkeit hat uns überrascht. In einem knappen halben Jahr eine Millionensumme zu organisieren, ist ein wahnsinniges Projekt.

Es ist oft zu lesen, ihr hättet die ehemalige Kleiderfabrik besetzt, dabei bezahlt ihr doch Miete. Wie ist eure Beziehung zu den Besitzer*innen?

Wir, das sind bis zu 80 Leute, wir sind alle Generationen vor uns, und alle, die noch folgen. Die Besetzer*innen-Szene hat vor über dreissig Jahren den Mut gehabt, den ungenutzten Räumen Leben einzuhauchen. Ihr Einsatz von damals, den wir mit ganzem Herzen würdigen, hat ungeahnte Dimensionen angenommen. Mittlerweile besteht für einen Teil der Immobilie ein Mietvertrag und für den restlichen Teil bezahlen wir keine Miete. Dadurch ist das Gebäude sowohl besetzt als auch gemietet. Unsere Beziehung zu den Besitzer* innen ist wohlwollend und gut. Wir wurden akzeptiert und sind aber auch auf ihre Bedürfnisse stets eingegangen.

Die verschiedenen politischen Parteien von Bremgarten attestieren dem KuZeB grosse Bedeutung für die kulturelle Identität der Stadt. Was macht aus eurer Perspektive das KuZeB aus?

Einerseits ist es das vielfältige, niederschwellige Kulturangebot, andererseits aber auch die Möglichkeit, sich zu betätigen, sich Fähigkeiten und Wissen anzueignen: Es gibt ein Kino, eine Sieb- und Holzschnittdruckerei, eine Bibliothek, einen Computerraum und ein Nähatelier. In der Mehrzweckhalle befinden sich eine Mini-Ramp, eine Kletterwand, eine Billardlounge, ein Gym. Wir unterhalten Gratisläden für Kleider, Möbel und Sachen des täglichen Bedarfs. Wir haben eine Küche und grosse Backöfen, eine Brauerei und ein Foodlager, wo Menschen biologisch und nachhaltig sowie fair erzeugte Lebensmittel zum Einkaufspreis beziehen können. Wir haben einen Gemüse- und Kräutergarten, aber auch für alle Interessierten offenstehende Holz-, Metall- und Fahrradwerkstätten. In den Kellergeschossen entstanden ein Konzertkeller sowie ein rege genutzter Proberaum für Bands. Auch das emotionale Lernen sollten wir nicht vergessen, die Möglichkeit, Freund*innenschaften zu schliessen, als Gruppe ein Projekt zu stemmen, Verantwortung zu übernehmen – das bedeutet viel für die eigene Entwicklung. Nur schon die Menge an Fachwissen und Infrastruktur ist unserer Meinung nach erhaltenswert. Hinzu kommt, dass das KuZeB die Funktion eines Social Points ohne Konsumpflicht übernimmt.

Wie konnte das KuZeB das vorurteilsbehaftete Bild korrigieren?

Einerseits hat man sich in Bremgarten durch die über dreissig Jahre KuZeB wohl an «das Alternative» gewöhnt. Andererseits hat es auch massgebend das Stadtbild mitgeprägt. So hat das KuZeB über die Jahre viele Leute nach Bremgarten gelockt. Dies hat kulturelle Projekte auch ausserhalb des Hauses hervorgebracht oder auch einfach mitgefördert. Und auch ausserhalb der Region ist der kulturelle Impact enorm. Durch das Haus wurden viele Kulturprojekte mit Material, Wissen oder durch körperliche Mithilfe unterstützt.

Ein Kaufpreis von 4 Millionen steht im Raum. Wie realistisch ist es, dass ihr die Finanzierung stemmen könnt?

Natürlich, 4 Millionen ist eine enorm hohe Zahl und anfänglich war die Stimmung pessimistisch. Nichtsdestotrotz haben wir uns mit einem möglichen Kauf und der notwendigen Kampagne auseinandergesetzt. Wir haben die Kampagne aufgegleist und nebenbei nach Grossspender* innen gesucht. Nach einer Weile haben wir die Zusage von einem grosszügigen Menschen erhalten, der uns eine hohe Summe zugesichert hat. Dies hat uns wieder optimistisch gestimmt. Dennoch brauchen wir nach wie vor einiges an finanziellen Mitteln, welche über die Kampagne zusammenkommen. Auch der definitive Kaufpreis ist noch nicht festgelegt. Wir haben Ideen bezüglich einer Hypothek und Darlehen besprochen, sind aber zum Schluss gekommen, dass wir uns nicht abhängig machen wollen von einer Bank und der Notwendigkeit, Geld erwirtschaften zu müssen. Das würde der Freiwilligenarbeit ein falsches Vorzeichen geben. Wir wären nichts anderes, als ein weiteres Kulturlokal mit Löhnen und Schulden, für die Leute Mehrwert generieren müssen. Wir versuchen eine Lösung zu finden, die keinen Spielraum für Selbstbereicherung zulässt und auch keine Hierarchie voraussetzt. Neben der initiierten Kampagne haben wir auch zu Solidaritätsaktionen aufgerufen und werden an verschiedenen Orten in der Deutschschweiz Informationsveranstaltungen und Diskussionsrunden organisieren.

Was, wenn die Finanzierung scheitert?

Wir bleiben. Wenn die Finanzierung scheitert oder eine Flutwelle aus der Reuss das Haus zerstört, so bleibt als Grundpfeiler die Arbeit, die wir hier leisten und die Erinnerung daran, die Bande, die wir zueinander knüpfen und die Vernetzung über Kantons- und Landesgrenzen hinaus. Es gibt kein drum rum. KuZeB bleibt.

Falls ihr zu Eigentümer*innen werdet, würde sich am KuZeB etwas ändern?

Unsere Grundsätze und Organisation sollen sich durch einen Kauf nicht verändern. Wir hoffen darauf, dass durch die Kampagne mehr motivierte Leute auf das KuZeB aufmerksam werden und Lust darauf bekommen, sich einzubringen. Die Räumlichkeiten sollen und dürfen sich nach vorhandenen Bedürfnissen verändern. Durch die Langlebigkeit des KuZeB ist es einzigartig und schwer vergleichbar mit anderen Projekten.

Informationen zur Kampagne «KuZeB bleibt!»: kuzeb-bleibt.ch 

«Es gibt kein drum rum. KuZeB bleibt»: Silas und Kristina. zvg

Ein sozialer Treffpunkt ohne Konsumzwang: das Kafi im KuZeB. zvg

Haus mit bewegter Geschichte: Dachkonzert an Pfingsten 1992. zvg