Der Mai gibt wieder mal ordentlich zu tun. Der Frühling bäumt sich auf, zwingt uns in die Gärten. Aussäen, was später geerntet werden will; umtopfen, ausstecken, zurechtbinden, woran wir uns später erfreuen wollen. All die Schmetterlinge, die von den Blütenkelchen angelockt werden, ein Insektenhotel für unsere sechsbeinigen Gäste, Frösche, Maulwürfe, Igel, Wolfsmilchschwärmer, auch ihr: willkommen! Dann aber auch: Schneckenfallen graben, eine organische, leicht toxische Sprüh-Kur anrühren gegen die Läuse, Milben, Raupen. Harfenstrauch gegen die Toilettenroutine des Nachbarkaters. Doch nicht am Sonntag Rasen mähen! Mach den Fischdünger weg! Der grüne Teppich beginnt zu beben. Schau, jetzt ziehen sie wieder ihre Fahne hoch! Wegen den Ästen eures Kirschlorbeers kommen bei uns die Temu-Päckli nicht mehr an! Wolltet ihr nicht mal etwas gegen den Klee machen! Wenn die mal in die Ferien fahren, dann greife ich zur Heckenschere, darauf kannst du Gift nehmen.
Während wir also im Garten erst warm werden, heisst es im Mai bei manchen Kulturveranstaltenden, wie beim Oxil in Zofingen oder dem Royal in Baden, bereits Saisonschluss. Torschlusspanik ist definitiv angebracht. Höchste Eisenbahn, noch einmal richtig zu feiern. Schaufeln weglegen, die Natur im Vorgarten macht eh, was sie will. Wer diese Gelegenheit auslässt, wird vom anfliegenden Sommerloch verschluckt.
Auch intensiv wird der Mai wegen des türkisenen Teppichs, der in Basel ausgerollt wird, und der wie unsere Gärten und Nachbarsgärten nichts anderes verheisst, als Drama, Drama, Drama: Der Eurovision Song Contest gastiert am Rhein, weil ihn Nemo letztes Mal bekanntlich nach Hause geholt hat. Die Veranstaltung bewegt: Sie bringt die unterschiedlichsten Menschen in Public Viewings zusammen, sie polarisiert und triggert. Was wird da nicht alles in einem einzigen Sendeformat verhandelt: Themen wie Nationalstaatlichkeit, die europäische Idee, Körperbilder, Genderrollen, Queerness, musikalisches Können (das auch), politische Haltungen, Kitsch, Kunst und Gefühle -ühle-ühle-ühle! Es ist für alle etwas dabei. Ein schönes Schaufenster in die heterogene, diverse, liberale Gesellschaft, die Europa ausmacht. Und deren Werte immer wieder zur Diskussion stehen, gerade in Zeiten, in denen Universitäten und Konzerne von Regierungen angehalten werden, ihre DEI-Programme zu versenken (Diversity, Equity, Inclusion). Manche Staaten machen schon gar nicht am ESC mit, weil die Veranstaltung den Machthabenden zu subversiv ist. Im Royal Baden übrigens wird das Finale live gestreamt.
Vielfalt, Gleichberechtigung und Inklusion – das sind Werte, für die sich die Aargauer Kulturinstitutionen stark machen. Nun, eine Gartenanalogie mehr, es sind zarte Pflänzchen, diese Werte. Eines der Treibhäuser, in dem sie besonders gepflegt werden, ist das Autonome Kulturzentrum Bremgarten. Dessen Zukunft wird sich in den nächsten Monaten entscheiden. Wir haben mit zwei Aktivisti gesprochen. Eine offene Gesellschaft ist alles andere als Monokultur. Politik, Ökologie und Gartenbau geben sich die Hand. Es geht nicht ohne Haltung und grünen Daumen. Geniessen Sie den Frühling!