Macht in ihrem Comic-Debüt die gesellschaftlichen Normen um das Thema Schwangerschaft und die Vereinnahmung des weiblichen Körpers sichtbar: Wanda Dufner.
Unterwegs mit Wanda Dufner.
Ich mag bunte Menschen. Wobei ich das weniger auf das Outfit, als vielmehr auf die Persönlichkeit beziehe. Bunt ist für mich jemand, die oder der nicht im Schwarz-Weiss-Schema denkt – und auch nicht in Grautönen. Sondern jemand mit Sinn für die Vielfalt der Welt. Eine solche Person ist Wanda Dufner. Bei ihr ist eben nicht nur ihr selbst gestaltetes Kleid voller Farben, sondern auch ihr Denken. Dass dem so ist, finde ich während unseres Gesprächs Stück für Stück heraus. Ihre zurückhaltende Art dabei empfinde ich als sehr angenehm.
Wir sitzen in Wandas Atelier in der historischen Spielzeugfabrik der Wisa Gloria in Lenzburg. Sie teilt den Raum mit einer gerade nicht anwesenden pensionierten Zeichenlehrerin. Wandas Seite des Ateliers ist deutlich erkennbar: Ihr Stil hat einen grossen Wiedererkennungswert. Die Illustrationen, Bilder und die mit ihren Motiven bedruckten Schals, T-Shirts und Kleider sind fast schon reizüberflutend. Kunst ist Wandas bevorzugte Art der Kommunikation. Alle möglichen, kräftigen Farben und Formen treffen aufeinander und buhlen um die Aufmerksamkeit der Betrachter*innen. «Ich möchte, dass die Leser*innen in meinen Werken immer wieder Neues entdecken», sagt die Künstlerin dazu. Sie nimmt ihr 400- seitiges Buch «Bauchlandung» in die Hände – ihr erstes Comicbuch – und zeigt mir während unserer Unterhaltung immer wieder Szenen daraus. Die Freude über ihren wachsenden Erfolg, ganz besonders mit dieser Graphic Novel, ist ihr anzumerken. Ihre im Alltag erbrachten, meines Erachtens ebenso beeindruckenden Leistungen als junge Mutter und freischaffende Künstlerin jedoch sind ihr nicht so deutlich bewusst. Das merke ich schon bald.
Seinen Ursprung habe das Projekt «Bauchlandung» in Kanada, wie Wanda erzählt: Sie habe für ein feministisches Magazin dort eine Illustration zum Thema «Schwangerschaft» gemacht. Das sei der erste Stein gewesen, der das Ganze ins Rollen gebracht habe. 2021 habe sie bei einem Wettbewerb das Comicstipendium der Deutschschweizer Städte erhalten und sich danach für den Comicpreis der Deutschen Berthold Leibinger Stiftung beworben. David Basler, Jurymitglied der Stiftung und zugleich Gründer der Edition Moderne – des ältesten unabhängigen Comic-Verlags des deutschsprachigen Raums, – sei von ihren Illustrationen begeistert gewesen und habe ihr angeboten, ein Buch daraus zu machen. Ein Buch, für das sich Wanda schliesslich von ihrem eigenen Leben habe inspirieren lassen: «Ich vermische bewusst Fiktion mit autobiographischen Aspekten. Meine Erfahrungen als schwangere 17-Jährige fliessen zwar in den Plot. Aber längst nicht alles hat sich wirklich so zugetragen wie bei meiner Protagonistin Noemi. Diese ist 16, schwanger, und von Selbstzweifeln geplagt. Sie muss mit ihrer Situation klarkommen und kriegt dabei viel von der Gesellschaft zu hören», so die 32-Jährige über ihr Erstlingswerk. Mit der Geschichte wolle sie möglichst viele Menschen ansprechen. Sie wünsche sich dadurch ein besseres Verständnis von Erwachsenen für Teenager. «Jugendliche haben nämlich bei Weitem nicht dieselben Ängste und Unsicherheiten wie ihre Eltern oder Lehrer*innen. Oft wird bei Problemen aber ausschliesslich die Perspektive der Erwachsenen als gültig erklärt. Das führt zu Vorverurteilungen und Missverständnissen. Im Fall von Noemi wäre es hilfreich gewesen, ihr Umfeld hätte gemerkt, weshalb es überhaupt zur Schwangerschaft gekommen war – und vorher eingegriffen. Sie hatte kein gesundes Verhältnis zum eigenen Körper und war in einer toxischen Beziehung. »
Über dem Stuhl am Schreibtisch hängt Wandas Jeansjacke. Ebenfalls selbst kreiert, wie sie sagt. Auf dem Rücken und vorne ist jeweils ein Katzenkopf mit Sprechblase aufgenäht. Darin steht «BLÖD!». «Das ist meine Art Humor», erzählt sie mit einem Lächeln. Viele Kleidungsstücke würden pseudointelligente Botschaften in die Welt hinausschleudern. Ihre Jacke sei ein Gegenstück dazu und bringe Menschen zum Lachen. Es ist dieser subtile Humor, den Wanda auszeichnet und der auch immer wieder in ihrem Buch aufblitzt – trotz des ernsten Themas. «Es war mir wichtig, Teile dieser Geschichte auf lustige Art zu erzählen.» Schon als Fünfjährige zeichnete Wanda gern. «Ich erschuf Fantasiebilder, mochte aber gar nicht, wenn ich schon vorgefertigte Figuren ausmalen musste», lacht sie. Auch später, in der Schule, habe sie die Grenzen der gestellten Zeichenaufgaben ausgelotet. «Ich wollte immer mein eigenes Ding machen, brachte mir dabei viel selbst bei und hatte grossen Ehrgeiz.» Zwei Lehrerinnen erkannten ihr Talent. «Dennoch wusste ich lange nicht, welchen Beruf ich lernen wollte. Bis ich in die Beratung ging. Dort hörte ich zum ersten Mal von Illustrator*innen und dachte: Das ist es! Von Anfang an kombinierte ich meine Bilder gern mit Worten.» Sie besuchte den gestalterischen Vorkurs in Aarau und schaffte danach den Sprung an die Hochschule in Luzern, wo sie den «Bachelor of Arts in Visual Communication with Specialisation in Illustration Fiction» erreichte. Das Besondere daran: Damals war sie bereits Mutter. Ihr Umfeld ermöglichte ihr, trotzdem eine Ausbildung zu absolvieren. «Das schlechte Gewissen meinem Sohn gegenüber war aber immer dabei», erinnert sich Wanda. Weil sie schon früh Verantwortung übernehmen musste, lebt sie heute ihren ausgeprägten Freiheitsdrang im Beruf aus: «Eine Anstellung wäre schwierig für mich.» Auf die Frage, welche Werte sie ihrem inzwischen 14-jährigen Sohn mitgibt, sagt sie: «Empathie! Zudem soll er sich selbst schützen können und das Schöne im Leben sehen. Und er soll Feingefühl entwickeln. » Kurz: ein bunter Mensch werden, denke ich.
ZUR PERSON
Wanda Dufner, 32, arbeitet als Illustratorin, Comiczeichnerin und Künstlerin in ihrem Atelier in der Wisa Gloria in Lenzburg. Für «Bauchlandung» erhielt sie 2021 das Comic-Stipendium der Deutschschweizer Städte.
Bauchlandung
Wanda Dufner nimmt in ihrem Comic-Debüt eine Teenagerschwangerschaft in den Fokus und erarbeitet dabei eine genaue Gesellschaftsanalyse. Sie zeigt eindrücklich, wie soziale Stereotype und Machtverhältnisse im Kontext einer Schwangerschaft auf den Plan kommen und wie sie den weiblichen Körper mit allerhand normativem Geschütz zu vereinnahmen drohen. Die Künstlerin liest im Rahmen einer Sofalesung in Lenzburg.
LENZBURG So, 4. Mai, 17 Uhr, Anmeldung unter: sofalesungen.ch