Im Schatten eines alten Apfelbaums steht sie noch: eine Faltliege von Wisa Gloria, gefertigt in den 1940er-Jahren in Lenzburg. Ihr Gestell mag abgewetzt sein, das Stoffgeflecht von der Sonne ausgeblichen – sie trägt dennoch oder gerade deshalb eine Würde, die nur Dinge besitzen, die lange geschwiegen haben. Auf ihr zu liegen, ist wie ein Gespräch mit der Vergangenheit – ohne Worte.
Diese Stille ist nicht bloss die Abwesenheit von Lärm. Es ist eine Stille, die tief und tragfähig ist, erfüllt von Erinnerungen, die niemand laut aussprechen muss. Damals, als die Liege neu war, bedeutete Innehalten nicht Leerlauf oder verlorene Zeit, sondern Lebenskunst. Heute scheint diese Stille fast verschwunden – verdrängt vom unermüdlichen Getöse unseres hektischen Lebens.
Und dennoch lädt diese alte Liege uns immer noch ein, zu verweilen. In ihrem schlichten Design liegt ein Versprechen: Wer sich setzt – oder hinlegt – und schweigt, findet nicht weniger, sondern mehr. Mehr Raum, mehr Zeit für sich selbst und für andere.
Stille ist kein Rückzug, sondern ein Heimkommen. Vielleicht beginnt Kultur genau hier: auf einer Faltliege, im Schatten eines alten Apfelbaums, mit geschlossenen Augen und offenen Sinnen.
Rudolf Velhagen, Chefkurator bei Museum Aargau, erkundet an dieser Stelle die verborgenen Botschaften der Dinge. Nicht weniger als 55 000 historische Objekte aus der kantonalen Sammlung warten auf ihre Befragung.
Faltliege Wisa Gloria, Lenzburg, 1940-er Jahre, Sammlung Museum Aargau, Inv.-Nr. K-17003