In der grossen Einzelausstellung mit dem bezeichnenden Titel «Towards No Earthly Pole» führt Julian Charrière (33) die destruktive Kraft menschlichen Handelns ad absurdum. In der gleichnamigen raumgreifenden Filminstallation sind schimmernde Eisberge, Gletscherspalten und Eismeere zusehen, die aus der Dunkelheit erscheinen und von ihr wieder verschluckt werden. Vereinen sich hier die Eislandschaften zu einem sinnlich-poetischen Kosmos, erhalten die Eisberge (andere freilich) in einer weiteren Arbeit Charrières einen unheilvollen Besuch: Der Künstler besteigt sie mit einem Flammenwerfer, mit dem er sie zum Schmelzen bringen will. «Julian Charrière ist als bildender Künstler ebenso Forscher und Entdecker», sagt Gastkuratorin Katrin Weilenmann. «Er verbindet mit Leichtigkeit disparate Werke und unterschiedliche Disziplinen. » Beispielhaft dafür steht «The Purchase of the South Pole» (2017). Unter einer Schutzhülle, die auch gegen Gletscherschmelze zum Einsatz kommt, verbirgt er e ine K anone – umgeben von bleiummantelten Kokosnüssen. Die Kokosnüsse sind «Souvenirs» von Charrières Expedition zu den radioaktiv verstrahlten Inseln des Bikini-Atolls. «Julian Charrières Neugier und sein Interesse, die Umwelt zu begreifen, führen ihn an globale Brennpunkte. Gleichzeitig konfrontiert uns der Künstler mit den direkten Auswirkungen menschlichen Handelns auf die Natur», erklärt Weilenmann.
Stimmen eines fragmentierten Ichs
In den zwei Caravan-Ausstellungen zeigen Martina Mächler und Rachele Monti je ihre Werke. Mächlers (29) Arbeiten basieren auf Text und Ton. Ihre Geräuschcollage begleitet die Besucher*innen durch die Ausstellungsräume der Sammlung im Obergeschoss. Wir hören ein Summen und Murmeln und lesen dazu im Raum platzierte Textfragmente. Es wird erzählt, argumentiert oder gescherzt, geschrien, geflüstert, getuschelt. «In den Texten geht es um ein fragmentiertes Selbst, als bestünde es aus verschiedenen Persönlichkeiten», erklärt Kuratorin Yasmin Afschar. «So setzt sich Martina Mächler mit Fragen auseinander, in denen das Verhältnis zwischen Psyche und Körper im Zentrum steht.»
Mit Haut und Farbe
Rachele Monti lotet in der zweiten Caravan-Ausstellung die Möglichkeiten des fotografischen Mediums aus und erweitert ihre Ergebnisse mit dem manuellen Einsatz von Licht, Farbe und transparenten Materialien. So kombiniert sie bearbeitete, farbenprächtige Fotografien mit kantigen, spitzigen Objekten und setzt sie im Raum in ein Spannungsverhältnis. Monti konzentriert sich bei ihren Aufnahmen fast ausschliesslich auf den menschlichen Körper – insbesondere die Haut – und bearbeitet ihre Materialien und Bilder meist so, dass sie an hautähnliche Oberflächen erinnern. «Mit ihrer Arbeit lädt uns Monti in eine bunte, intime, von Sinneseindrücken dominierte Welt ein», sagt Anouchka Panchard, Wissenschaftliche Mitarbeiterin. Bei Montis Arbeiten schwingt die Verletzlichkeit menschlicher Existenz stets mit. Klima, psychische Brüche, Vulnerabilität – die thematischen Setzungen dieser Ausstellungen könnten aktueller nicht sein.
AARAU Aargauer Kunsthaus ab 6. September